Die Serrahnstraße in Bergedorf

Skulptural: Der alte Krahn, 2023

Individuell: Das Geländer, 2023

Aufgeräumt: Die Promenade, 2023

Besitzbare Reminiszenz an Zeiten des Holzumschlags, 2023

Fachbeitrag, erschienen in:
„Architektur in Hamburg, Jahrbuch 2023/24“, Hg. von der Hamburgischen Architektenkammer

Im 15. Jahrhundert angelegt, um Billwerder vor Hochwasser zu schützen, zählt der Schleusengraben in Bergedorf zu den ältesten künstlichen Wasserstraßen Deutschlands. Das kanalisiert ins Flusssystem der Elbe abgeleitete Wasser der Bille eröffnete den Bergedorfern erstmals einen durchgehenden Wasserweg nach Hamburg. Von dem zu einem Hafenbecken ausgebauten Schleusengraben wurde Gemüse aus den Vier- und Marschlanden bezogen und Bauholz aus dem Sachsenwald nach Hamburg geschafft, später Rohstoffe für Bergedorfs Industrie. 1902 leistete sich das damals selbständige Bergedorf den Ausbau eines kleinen, aber sehr leistungsfähigen „Neuen Hafens“ nahe dem Stadtzentrum am „Serrahn“ (slawisch für Aalfang). In der die Kaimauern begleitenden Straße reihten sich hochmoderne, elektrisch betriebene Drehkräne, die zu den wenigen Sehenswürdigkeiten des umgebenden Arbeiterviertels gezählt wurden.

Doch diese Schiffertradition ist schon seit siebzig Jahren Geschichte. Zuletzt wirkte die Serrahnstraße trotz ihrer Lage am ehemaligen Hafen etwas heruntergekommen, auf ihren einhundertdreißig Metern Länge von einem trivialen Nebeneinander unterschiedlicher Wegebeläge, Zäune und Schilder geprägt und von einer Reihe großer Platanen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts beengt.

Um sozialen Zusammenhalt und die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern, wurde Bergedorf-Serrahn 2018 als Fördergebiet im Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung festgelegt und ein freiraumplanerischer Ideenwettbewerb ausgelobt. Unter den vier teilnehmenden Teams erhielt der Beitrag von YLA Ando Yoo Landschaftsarchitektur den Zuschlag. YLA überzeugten mit der Idee eines dreigeteilten Boulevards. Die durchschnittlich nur dreizehn Meter breite Straße wird in drei parallele Nutzungszonen geteilt: private Außengastronomie als Sondernutzung an den Gebäuden, öffentliche Promenade in der Mitte und öffentlicher Aufenthaltsbereich am Wasser.

Kann die Sanierung der Kaimauer mit den „Wassertreppen“ genannten Zugängen zum Hafenbecken aus Denkmalschutzgründen als bereits gesetzt gelten, so stärkten YLA den ideellen Bezug auf die Hafengeschichte zusätzlich durch die Wiederverwendung und Ergänzung vorhandenen Granitgroßpflasters, durch selbst entwickelte „Stapelbänke“ aus massiven geglätteten Duckdalben sowie durch „Schutenbänke“ in Bootsform mit innenliegenden Gräserbeeten, um an den ehemaligen Holzumschlag und den wichtigen Getreidetransport zu erinnern. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die vollständige Rodung der Platanen verständlich, die den historisch offenen Charakter der Straße empfindlich gestört hatten.

Das bauliche Ergebnis zeigt die für YLA charakteristische Klarheit und Unaufdringlichkeit: Der zum Hafenbecken nun weitgehend offene Raum breitet sich mit nur wenigen Materialien – Granitstein, naturbelassenes Vollholz, oxidiertes Gusseisen und anthrazitfarben lackierter Flachstahl – wie selbstverständlich aus. Vorherrschendes Wegematerial ist das geschnittene Granit-Großpflaster, überwiegend im wilden Verband diagonal zur Laufrichtung und nur in Aufenthaltsbereichen am Wasser im Reihenverband verlegt. Unauffällig sind darin die notwendigen Zufahrten zu den Gastro- und Hotelbetrieben gelungen. Ein langes Plattenband aus schwedischem Bohus-Granit trennt den öffentlichen Aufenthaltsbereich vom Promenadenbereich. Dieser wird seinerseits vom Gastrobereich durch die schnurgerade Entwässerungsrinne und einen knapp ein Meter breiten Funktionsstreifen aus Bohus-Granit getrennt, der die neue Baumreihe sowie Mastleuchten, Papierkörbe und einige Fahrradbügel aufnimmt. YLAs Blick fürs Detail verraten die Entwässerungsrinnen, deren Roste aus oxidierten Quadratstäben dem der Baumrosten genau entspricht.

Für die gestalterisch besonders sensible Kaikante, historisch ohne Absturzsicherung und noch im Wettbewerb als visuell offenes Geländer mit einfachem Kniegurt und nach innen gekröpftem Handlauf versehen, verlangte der Denkmalschutz im Rahmen der Genehmigung des Entwurfs ein Geländer mit senkrechten Füllstäben. In Anlehnung an die südlich anschließenden Bestandsgeländer haben YLA ein solches Geländer entwickelt und kompensieren dessen geringere Transparenz damit, die bisherige Heterogenität unterschiedlicher Hinweisschilder und Pfosten, die bislang auf unterschiedliche Weise an den diversen Zäunen befestigt waren, nunmehr mittels verglasten Schildkästen oder auch festen Schriftzügen (wie z. B. „Wassertreppe1“) in den Zaun zu integrieren. „Ich hasse diese Kabelbinder, mit denen hier alles Mögliche irgendwo festgemacht wurde“, verrät Ando Yoo im Gespräch und zeigt sich mit dem neuen Zaun versöhnt.

In dem derart aufgeräumten Gelände beherrscht neben dem Hafenbecken der letzte verbliebene und nunmehr sanierte Drehkran etwas klobig die Szene, auch die anstelle der von YLA vorgeschlagenen Kupferfelsenbirnen verwendeten Kobus-Magnolien machen ihm seinen Rang nicht streitig. Nur Weniges stört die leicht museal wirkende, aufgeräumte Hafenszene: Ein paar Eilige brausen mit dem Fahrrad durch – ein Fahrradverbot war politisch nicht durchsetzbar -, andere stellen mal eben ihre Autos ab, wo sie niemanden zu behindern glauben; die Restaurants haben sich nicht zu einer einheitlichen Bestuhlung durchringen können und nehmen auch den Funktionsstreifen für ihre Tische in Beschlag; ein paar Mastleuchten haben sich aus dem Funktionsstreifen an die Kaikante verirrt –  Yoo nimmt‘s gelassen. Sein Entwurf funktioniert: Menschen sitzen an den Außentischen der Cafés, blicken von den Stapelbänken übers Wasser, flanieren über das angenehm changierende Promenadenpflaster. Ein paar weiße Masten sind mit Kabelbindern am neuen Geländer befestigt, ihre Fahnen flattern fröhlich im Wind, kaum jemand merkt‘s.

Lichtwarks Heidegarten & die Hittfelder Landhauskolonie

Hermann Widensohler,
„Alfred Lichtwark“.

Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Dietmar Katz

Landhaus Kalckreuth“ 1906

aus: C. G. Bensel. Regierungsbaumeister, Architekt Hamburg

Anthea Rakebrandt,
Tauben-Skabiose
Tanzdarbietung auf dem Sunderhof.

Archiv CVJM-Sunderhof GmbH

Monographie

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts initiierte Alfred Lichtwark, der damalige Direktor der Hamburger Kunsthalle, ein besonderes Wohn- und Kulturprojekt, als er mit ihm befreundete Familien veranlasste, im Umfeld seines Sommerhäuschens und nahe zur Malschule Siebelist in Hittfeld, moderne Landhäuser mit neuartigen Gärten zu errichten.

Philanthropen, Maler, Kunstsammler, Kaufleute, Architekten, eine Pädagogin und eine Schauspielerin bildeten auf dem „Sunderberg“ in den Harburger Bergen einen exklusiven Kreis künstlerisch-geselligen Lebens. Lichtwarks Schrift „Der Heidegarten“, die „gleich einem hellen Scheinwerfer aufklärend“ auf damalige Gartenkünstler wirkte, geht auf diese Landhauskolonie zurück.

Belegt durch zahlreiche Werke der Malerei, Grafik und Fotografie sowie durch zeitgenössische Textquellen wird die heute fast vergessene Kolonie als eine großbürgerliche Ausprägung der Lebensrefombewegung dargestellt und in die Wechselwirkung zwischen damaliger Mal- und Gartenkunst eingeordnet. Lichtwarks Traum von inniger Naturwahrnehmung, einer am „Niedersächsisch/Althamburgischen“ orientierten Gartenkunst und eines kulturell ausgerichteten Miteinanders zeigt sich hier als „Lebenskunst“.

Konzept, Recherche und Text: Joachim Schnitter
Layout: Sarah Winter
Grafiken: Anthea Rakebrandt; Joachim Schnitter

Erschienen im Oktober 2023, Verlag Dölling & Galitz
240 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 28 €
ISBN 9783862181667

Rezensionen:

»Es war wunderbar! Es hat mir die Augen und den wirklichen Zugang zum Reformgarten weiter geöffnet und mich in die Stimmung der Jahre ab 1900 bis 1929 abgeholt. «
Leserrückmeldung aus dem Landkreis Lüneburg

»So gut wie in einem Rutsch habe ich Ihr Buch über die Hittfelder Landhauskolonie durchgelesen. Es ist großartig, wirft ein mächtiges Schlaglicht auf die Hamburger Gesellschaft.«
Elke von Radziewsky

»Joachim Schnitter gelingt es in seinem sehr ansprechend, übersichtlich und bilderreich gestalteten Buch, den gesellschaftlich-kulturellen Hintergrund der Landhauskolonie auf dem Sunderberg detailreich auszuleuchten. Ihre spezielle Atmosphäre aus Intimität und Exklusivität ergab sich aus dem freundschaftlich-familiären Umgang und den intensiven Gesprächen über Kunst.«
Ruth Asseyer, kultur-port.de

Blick in die Rezension und das Buch:
https://www.kultur-port.de/blog/architektur/18917-lichtwarks-heidegarten-und-die-hittfelder-landhauskolonie.html

»Dies alles schildert der Autor detail- und kenntnisreich, mit sicherem Urteil und gelegentlich aufblitzendem Schalk. Die gepflegte Buchgestaltung tut das übrige, um diese Veröffentlichung zu einem Vergnügen für (garten-)kulturell Interessierte zu machen«
Grüner Anzeiger für Pflanze und Garten, Jg. 27, Heft 1 (Jan/Feb. 2024)

»Das Design des liebevoll gestalteten Buches ist bunt wie ein Blumengarten – und allein deswegen hat das Buch einen Preis verdient.«
Der Niedersachse

Interview zu den Freiflächen der Jarrestadt in Hamburg-Barmbek

Lageplan der Jarrestadt mit zwei zentralen Grünzügen
Backstein und Grün prägen die Jarrestadt seit fast 100 Jahren
Blick in den Grünzug Hölderlinsallee 2021
Schmuckplatz im Hölderlinpark / Karl Schneider-Block 2021

Interview mit Dr. Joachim Schnitter, Gartenhistoriker, Gutachter für die
Frei- und Grünflächen der Jarrestadt
von Ruth Asseyer
veröffentlicht im Newsletter der Karl Schneider Gesellschaft e.V., den „Schneiderseiten | Ausgabe 12 | Juni 2022 (https://www.karl-schneider.org/schneiderseiten/

Angemessen? Wohin mit einem neuen Monument für Hamburgs alten Provokateur?

in: Hamburgs Heinrich Heine – denkmalbewegt. Für den Heine-Haus e. V. Hamburg
hg. von Beate Borowka-Clausberg, Baden-Baden 2024, S. 206-225

Gibt es einen Ort in Hamburg, der Heine besonders angemessen wäre?
Ist gerade das „Unangemessene“ Heine angemessen?
Kann man Heinrich Heine in Hamburg würdigen, ohne Salomon Heines Bedeutung ebenfalls zu würdigen?

Der Artikel beruht auf einem im Rahmen der Fachtagung „denkmalbewegt“ des Heine-Haus e. V. gehaltenen Vortrags.

In einer Zeit niedergerissener Statuen und fragwürdig gewordener Autoritäten ein neues Personendenkmal aufstellen zu wollen, dürfte ein gesellschaftlich mindestens diskussionswürdiges Unterfangen darstellen. Dass es sich bei Heinrich Heine immerhin um einen Störenfried im besten Sinne handelt, der es weder seiner Zeit noch sich selbst allzu behaglich gemacht hat, mag dem Vorhaben Legitimation verleihen: Einfacher macht es weder die Frage nach der Art einer passenden Skulptur noch nach der Wahl des dafür geeigneten Ortes. Zumal in der Heinestadt Hamburg, die sich mit Denkmalen für den geliebt-verhassten Provokateur immer schon schwergetan hat, sich schließlich vor bald 40 Jahren zu einer besonderen skulpturalen Würdigung am Rathausmarkt durchgerungen hat, und nun doch nicht am Ende der Diskussion ist.

Die Frage nach einem angemessenen Aufstellungsort wird mit der Art und dem ideellen Anspruch des Kunstwerks verbunden: Wie wäre der schwierigen Beziehung zwischen dem Dichter und der Elbmetropole auf neue Art Rechnung zu tragen? Wozu sollte ein neues Heine-Monument an- oder aufregen? Was hat Heinrich Heine Hamburg heute noch oder erneut zu sagen? Und schließlich: Wo sollte, wo kann es gesagt werden?

Stellungnahme: Bossard neu denken?

Im niedersächsischen Jesteburg versteckt sich eines der bedeutendsten Gesamtkunstwerke Deutschlands: Die Kunststätte Bossard. Das im Wesentlichen zwischen 1911 und 1950 geschaffene und extrem differenziert ausgestaltete Ensemble aus Architektur, Bildhauerei, Kunstgewerbe, Malerei und Gartenkunst ist als Denkmal ausgewiesen und dient als Museum.

Nachdem Fördermittel in Millionenhöhe für einen modernen Erweiterungsbau auf dem Areal in Aussicht stehen, ist im Frühjahr 2020 eine öffentliche Kontroverse entflammt: Benötigt dieses Ausnahmeobjekt eine bauliche Erweiterung oder wird es dadurch unzulässig geschädigt? In welchem Verhältnis steht der Anspruch einer Kulturvermittlung zu dem des Denkmalschutzes?

Den auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL), Landesverband Hamburg/Schleswig-Holstein e.V. veröffentlichten Artikel finden sie hier

Anton Tschechows „Der schwarze Mönch“

   

Katharina Usbeck & Joachim Schnitter
Eine gartenkulturelle Arabeske als Psychogramm: Tschechows „Der schwarze Mönch“

Das ist wunderbar! Ach, das ist wunderbar!“ …urteilte Lew Tolstoj mit großer Zärtlichkeit über Anton Tschechows 1894 erschienene Erzählung „Der schwarze Mönch“. Unbestritten stellt sie eine der bedeutendsten Erzählungen Tschechows dar, in mehrfacher Hinsicht aber kommt ihr eine Sonderstellung zu: Zum einen, weil Tschechows Gartenleidenschaft und seine profunde Kenntnis hortikultureller Techniken hier am deutlichsten ihren literarischen Niederschlag fanden; zum anderen, weil diese Erzählung wie wenige andere das besondere literaturwissenschaftliche Interesse auf sich gezogen hat. Während manche Kritik die Arbeit als „die Quintessenz der zartesten Poesie und künstlerischer Durchdringung“ würdigte, ging für andere „daraus nicht die geringste Idee, nicht die geringste Schlussfolgerung hervor“. Wieder andere sahen in der Erzählung einen Beleg für einen künstlerischen Umbruch und ein gewandeltes Verständnis des Autors zur Wirklichkeit. Aus gutem Grund zeigte sich Tschechow selbst mit der oberflächlichen Aufnahme der Erzählung durch die Kritik unzufrieden: Eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Versuche zeigt, dass eine überzeugende Entschlüsselung dieses Meisterwerks auch über ein Jahrhundert nach seiner Erstveröffentlichung bis heute nicht gelang.

Die für 2023 geplante  Darstellung unternimmt erstmals eine gartenhistorisch fokussierte Auseinandersetzung mit Tschechows Erzählung. Im Ergebnis soll sie die Verankerung zahlreicher Erzählmotive im gartenkulturellen Fachdiskurs ihrer Zeit belegen. Darüber hinaus aber soll sie im Thema gärtnerischer Pflanzenveredlung einen Subtext erschließen, der die Erzählung erst als das verständlich macht, was sie ist: Die paranoide Retrospektive eines Wahnsinnigen, komponiert aus Bruchstücken erinnerter und unbewusst fabulierter Vergangenheit. Sie ist der Versuch, das Erleben eines Wahnsinnigen mit den Mitteln der Kunst darzustellen. Das Werk eines Schriftstellers und Arztes, den „jegliche Abweichung der sogenannten Seele von der Norm“ interessierte und der von sich sagte, er wäre wohl Psychiater geworden, wäre er kein Schriftsteller geworden.

Neben dem gartenkulturellen Feld treten auch wichtige intertextuelle, musikalische und biographische Bezüge zutage, die den Autor der Erzählung sich ähnlicher Strategien bedienend zeigt, wie sein nervenkranker Protagonist. Eine Darstellung des Tschechowschen Zugangs zur Avantgarde der zeitgenössischen russischen Psychiatrie rundet die Textanalyse ab. Zahlreiche zeitgenössische Abbildungen aus allen genannten Themenfeldern sollen das Buch zu einem visuellen Erlebnis machen. Eine sorgfältige Quellenarbeit erhebt wissenschaftlichen Anspruch.

Gleichberechtigt mit der analytischen Auseinandersetzung soll eine moderne grafische Interpretation dieser wohl dunkelsten unter Tschechows Erzählungen vorangestellt werden, die Katharina Usbeck erarbeitet hat.

чёрный монах [ Le Moine noir ]

  

Die folgende Analyse von behandelt die erstmals 1894 erschienene Erzählung „Der schwarze Mönch“ des russischen Schriftsellers Anton Tschechow. Die Analyse ist in französischer Sprache in dem Ausstellungskatalog „Des Jardins & Des Livres“, hg. von Michael Jakob, Genf 2018, S. 390-391, erschienen. Das Buch wurde 2018 mit dem René Perchère-Literaturpreis für französischsprachige Werke aus den Bereichen Garten und Landschaft ausgezeichnet.

Was denkt, wie empfindet ein psychisch Kranker? Kann er das Ausmaß seiner Verwirrung erkennen? Folgen seine Vorstellungen einer ihm allein verständlichen Logik und lassen sie sich textlich darstellen? In der 1894 erschienenen Erzählung „Der schwarze Mönch“ geht der Schriftsteller und Arzt Anton Tschechow einer paranoiden Erlebniswelt aus der Perspektive eines Kranken nach.

Der zunächst offenkundige Plot ist schnell erzählt: Magister Kowrin halluziniert einen schwarzgekleideten tausendjährigen Mönch, der ihm Genialität versichert. Eine ärztliche Behandlung bricht Kowrin ab, da sie ihn seine Mittelmäßigkeit quälend empfinden lässt. Seine Ehe mit Tanja Pessozkaja zerbricht, ihr Vater – einst Kowrins Pflegevater – stirbt darüber vor Verzweiflung und dessen landesweit berühmter Handelsgarten verkommt. Unmittelbar nachdem Kowrin die fatalen Folgen seiner Paranoia erkannt hat, erliegt er – wieder glücklich im Wahn befangen – einem Blutsturz.

Pessozkis Gärten scheinen durch Kowrins Wahrnehmung und ihrem Verfall als Metapher der zerstörerischen Paranoia zu dienen. Dabei zeigt die Erzählung nicht nur in botanischen Details eine hortkulturelle Affinität des Autors:

  • Der in der Erzählung genannte „Gauchet“ verweist auf den Pomologen und Baumschulbesitzer Nicolas Gaucher (1846-1911), der als Begründer des Formobstbaus in Deutschland gilt und dessen Werke ins Russische übersetzt wurden. [1] Artikel zur Pomologie waren Ende des 19. Jh. über die „Gartenflora“, der Monatsschrift für deutsche, russische und schweizerische Garten- und Blumenkunde auch in Russland verfügbar und belegen die große Bedeutung dieser gartenbaulichen Disziplin in dieser Zeit.
  • Pessozkis Obergärtner Iwan (russisch für „Hans“) Karlytsch ist deutscher Herkunft: Tatsächlich hatten im späten 19. Jahrhundert deutschstämmige Gärtner oft herausragende
    Positionen in russischen Gärten inne.[2] Die verkürzte Form des Vatersnamens deutet auf die Vertrautheit Pessozkis mit seinem verlässlichsten Mitarbeiter.
  • Das in der Erzählung geschilderte, im Deutschen als „Reifheizen“ bekannte Verfahren, war ein verbreitetes Mittel, um Pflanzen mittels Rauchentwicklung vor Spätfrost zu schützen.[3]

Hinter den scheinbar klaren Schilderungen des Erzählers treten jedoch seine krankhaften Wahrnehmungen in motivischen und klanglichen Äquivalenzen zutage. 4 In dieser durch Größen- und Verfolgungswahn getrübten Sicht offenbart sich ihm eine monströse Intrige: Eine geistige Verwandtschaft zwischen Kowrin und Pessozki nährt den Verdacht, Pessozki sei Kowrins leiblicher Vater. [5] Den „raffinierten Abnormitäten und Verspottungen der Natur“ gleich, die als Züchtungen den dekorativen Teil des Gartens prägen, plant Pessozki, aus der Verbindung der Halbgeschwister einen Bastard als Erben seines lukrativen Unternehmens zu züchten. Tanja scheint in das Komplott eingeweiht, dreht sich ihr Leben nach eigenem Bekunden doch nur um „Hochstamm, Halbstamm (…) Okulieren, Kopulieren“. Sie selbst gleicht den „empfindlichen, heiklen“ Gartenfrüchten, die Pessozki bei Reife verkauft.

Kowrin ahnt seine uneheliche Herkunft, sieht er sich doch in den Augen Tanjas und Pessozkis als „Irod“ (Herodes), das im gartenbaulichen Kontext auf dessen phonetisches Äquivalent „Urod“ (Missgeburt, Bastard) verweist. Auch der Mönch als Kowrins Alter Ego zeigt in seinem listigen Lächeln, Pessozkis Plan zu kennen: Seine gekreuzten Arme symbolisieren die drohende Kreuzung mit der Halbschwester. Als infolge der Trennung von Tanja und Pessozkis Tod der Garten mit den abnormen Züchtungen zunichte wird, besiegelt Kowrins Tod – mit seinem Blut symbolisch auch die genetische Verbindung zu Pessozki ausspuckend – das Scheitern der Intrige.

Eine stark verkürzte Rahmenhandlung lässt erahnen, dass Kowrin unwissentlich einer medizinischen Fallstudie dient. Kowrins Reise nach Borissowka ist durch den Rat eines Arztes motiviert. In dieser ersten Krankheitsphase scheint Kowrin die Landschaft von seiner Weltbedeutung zu sprechen. In der anschließenden Phase markiert das zweite Auftreten eines Arztes die neue Versuchsanordnung der Medikamentierung, in der die Landschaf „reglos und stumm“ erscheint. Kowrins Ende wird durch das Auftreten einer Pflegerin markiert, die ihn zu einer Kur nach Jalta begleitet. Dort bewundert er die Ruhe und Weite der See, die sein Eintauchen ins Nichts vorwegnimmt.

Der Autor legt aber auch nahe, Kowrins Krankheit könne von Außen befördert sein: Durch Pessozkis übermäßige Bewunderung für Kowrin und durch eine Bromkaliumbehandlung, von der in medizinischen Fachkreisen bekannt war, Gedächtnisverlust, Aggressivität und sogar Halluzinationen hervorrufen zu können. Auch Kowrins tödlicher Bluthusten könnte neben Tuberkulose auch durch eine Reizung der Luftröhre durch hochdosiertes Bromkalium befördert sein. [6] Nicht zuletzt ist sein Verfolgungswahn insofern nicht unbegründet, als dass er unwissend als Studienobjekt dient.

Kowrin bezieht seine Einbildungen aus Gärten, Landschaft und einer Fülle unterschiedlicher Quellen wie Liedern und Romanen. Die Namen Kowrin (Teppich) und Pessozki (Sand) verweisen in Verbindung mit der Fata Morgana des Mönchs zudem auf die „Märchen aus 1001 Nacht“. Derart den phantastischen Charakter durchscheinen lassend, macht der Autor Verwirrung zum arabesquen Konstruktionsprinzip seiner Erzählung.

Tschechow verarbeitete aber auch praktische Erfahrungen aus seiner Zeit als Eigentümer des landwirtschaftlichen Guts Melichowo bei Moskau. Um seine eigene TBC-Erkrankung zu kurieren, erwarb er 1899 ein Grundstück im heutigen Jalta und schuf dort aus einem felsigen Areal einen blühenden Garten: Er bestellte Obstbäume, Rosen und Samen aus allen Landesteilen und schwärmte, er pflanze alles eigenhändig. Ob ihm die kranichgleiche Tanja Pessozkaja in den Sinn kam, als ein Kranich als Dauergast seines Gartens erschien? Der Glücksvogel half jedoch nicht: Tschechow erlag seiner Erkrankung 1904, ein Jahrzehnt nach Erscheinen von „Der schwarze Mönch“.

Literatur
1 Kluge, Rolf Dieter, Anmerkungen und Nachwort. In: Anton Tschechow, der schwarze Mönch, Russisch/Deutsch. Übers. Kay Borowsky. Stuttgart 1996
2 Vgl. z.B. Reymann, Andrey, Deutsche Gärtner und Gartenkünstler und ihre Arbeiten in St. Petersburg. In: Preußische Gärten in Europa: 300 Jahre Gartengeschichte. Hg. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg, Potsdam 2007, S. 244-247
3 Berliner Allgemeine Gartenzeitung Jg. 6, (1838) No. 17, S. 134
4 Vgl. Schmid, Wolf, Ornamentales Erzählen in der russischen Moderne : Čechov – Babel‘ – Zamjatin. Frankfurt am Main, 1992
5 Vgl. Freise, Matthias, Personendarstellung und Personenbewußtsein bei Cechov – die Erzählung „Cernyj Monach“. In: Wiener Slawistischer Almanach 28
6 Graf, Otto. Das Bromkalium als Heilmittel beleuchtet von Dr. Otto Graf, prakt. Arzte zu Waldheim. Leipzig 1842

Ada or Ardor : A Family Chronicle [ Ada ou l’Ardeur ]

 

Die folgende Analyse von behandelt den erstmals 1969 erschienenen Roman „Ada oder das Verlangen“ des russischen Schriftsellers Vladimir Nabokov. Die Analyse ist in französischer Sprache in dem Ausstellungskatalog „Des Jardins & Des Livres“, hg. von Michael Jakob, Genf 2018, S. 442-443, erschienen. Das Buch wurde 2018 mit dem René Perchère-Literaturpreis für französischsprachige Werke aus den Bereichen Garten und Landschaft ausgezeichnet.

Auf einer geographisch frei imaginerten „Anti‐Terra“ rekapituliert ein über neunzigjähriges Liebespaar ‐ Geschwister, die für Cousin und Cousine gelten ‐ seinen langen Weg zueinander. Vordergründig eine Familienchronik, verflicht Nabokov „Ada“ zu einem komplexen Gewebe, das „die Textur der Zeit“ offenlegen soll. Angefüllt mit mehrsprachiger Wortakrobatik, werkimmanenten Verweisen und intimen Details tragen die Erzähler im fliessenden Wechsel vor:

„Die Details, die durchscheinen oder durchschatten: blankes Blatt durch hyaline Haut, grüne Sonne im braunen feuchten Auge, tout ceci, Wsjo eto, in triplo und in toto, muss in Betracht gezogen werden; nun bereite Dich auf die Übernahme (des Erzählens, JS) vor.“ [1]

Die sich zu einem schwer durchdringlichen Gewirr von Namensähnlichkeiten und Nebenschauplätzen verdichteten und diffundierenden Geschehnisse sind stellenweise nur für „Wiederleser“ [2] nachvollziehbar und halten wie Dornengestrüpp unerwünschte Besucher ganz fern. Doch „ein paar Leser, diese denkenden Schilfrohre“ [3] sollen einen neuen Kosmos entdecken: Obwohl Adelaida „Ada“ Durmanov und Ivan „Van“ Veen verwöhnten Königskindern gleichen und so anspruchsvoll und narzistisch scheinen, dass die Wahl des geschwisterlichen Lebenspartners wie eine Wahl des eigenen Selbst anmutet,[4] schafft ihre tiefe Vertrautheit ein Reich kristallener Klarheit:

„Unterdes waren sie am rond‐point angekommen – eine kleine Arena, umgeben von Blumenbeeten und verschwenderisch blühenden Jasminbüschen. Oben über ihren Köpfen langten die Arme einer Linde  nach denen  eines Eichbaums  gleich einer grünpaillettierten Schönen im Anflug auf ihren kräftigen Vater, der sie mit den Füßen am Trapez hängend  erwartet. Schon damals verstanden wir beide solche Dinge, schon damals.“ [5]

Als wäre die sexuelle Geschwisterliebe der Zwölf‐ bzw. Vierzehnjährigen nicht Zumutung genug, überhöht sie Nabokov noch darin, dass der elterliche Stammbaum mütter‐ und väterlicherseits mehrfach auf eng verwandte und sogar dieselben Ahnen zurückführt. Doch den durch den Skandalroman „Lolita“ berühmte gewordenen Nabokov treibt  mehr als die Lust am generationenübergreifenden Inzest. Vielmehr ist die Verschmelzung der über Generationen von- und zueinander treibenden Familien eine Kulmination wahren Begehrens. Denn obgleich genealogisch vorherbestimmt, erweist sich ihre Liebe zwischen Ada und Van als tiefempfunden: Angesichts „jene(r) Nichtigkeit staunenswerten individuellen Bewusstseins und junger Genialität, die gelegentlich aus diesem oder jenem bestimmten Atemzug ein nie dagewesenes und unwiederholbares Ereignis im Kontinuum des Lebens macht (…)“,[6] zeigt diese Liebe in ihrer Einzigartigkeit Sinn in einer Welt nur scheinbar austauschbarer sexueller Anziehung.

Van verdichtet seinen inneren Lustgarten zu dem Dreiklang „Ada, our ardours and arbors“ [7]. Ardis, das Anwesen, in dem Van und Ada sich finden, ist sowohl Nabokovs eigenen Kindheitserinnerungen wie auch dem Mythos vom Paradiesgarten verwandt. Als Spross reicher und feinsinniger Eltern genoss Nabokov als Kind die Faszination eines großen Parks mit allen Annehmlichkeiten. Wyra, das ehemalige Gut der Nabokovs, liegt bei St. Petersburg am Ufer des Oredesh. Mit der Flucht vor den Bolschewiki verlor die Familie 1917 diesen und fast allen anderen Besitz. Durch seinen Erfolg als Schriftsteller gelang es Nabokov, sich ein Leben in Wohlstand neu zu erarbeiteten, doch sind viele seiner Werke durchdrungen von Reminiszenzen an das verlorene Kindheitsparadies von Wyra, das er sich so erinnernd immer wieder neu erschuf.[8]

Der Park von Ardis bietet die Grundlage für ein Hauptmotiv des Romans: Schmetterlinge. Denn Ada ist auf botanische und zoologische Details fixiert (wie der Autor selbst: Nabokov war professioneller Lepidopterologe), die sie sinnlich zu genießen versteht:

„Die porzellanweiße Mönchslarve  mit Augenflecken, ein kostbares Kleinod, hatte unversehens ihre nächste Metamorphose vollendet, aber Adas einzigartiges Lorelei‐Ordensband war dahingeschieden, gelähmt von einer Schlupfwespe, die sich von jenen cleveren  Protuberanzen und pilzförmigen Klecksen nicht hatte täuschen lassen. Die bunte Zahnbürste  hatte sich in einem  zottigen Kokon verpuppt und versprach, im Spätherbst zu einer Orgyia persica zu werden.[9]

Adas Passion für Schmetterlinge zieht sich als grüner Faden durch das komplexe Geschehen und findet seine Entsprechung in anatomischen Details der erinnerten Liebesszenen. Die nie nachlassende Exaktheit garantiert Einzigartigkeit und Identität:

„Naturkunde, dass ich nicht lache! Die am wenigsten natürliche Kunde – weil die Präzision der Sinne und des Sinns einem Bauerngemüt unangenehm absonderlich vorkommen muss und weil das Detail alles ist.“ [10]

Im Erinnern wird die vermeintliche Realität seziert und neu, manchmal monströs zusammengesetzt. Die sich wandelnden Beschreibungen spiegeln gleich immer neuen Metamorphosen die Einzigartigkeit augenblicklicher Empfindung trotz eines naturgegebenen Rahmens. Nabokov fasst dies in den Anagrammen insect, nicest, scient und incest.[11]

Die Erzähler verfolgen diesen Gedankenzusammenhang in ihrer Jahrzehnte währenden Liebesgeschichte. Mit sexueller Begierde begonnen und von einer langen Reihe von Treuebrüchen und Trennungen gekennzeichnet, erfüllt die schließlich erst im Alter erlangte (nun asexuelle doch weiterhin körperliche) völlige Zuwendung der Liebenden das Verlangen nacheinander.

„Ada“ zeichnet damit eine Welt, die in detailreicher und in geteilter Subjektivität einzigartiger Liebe ihren Wert bis zur Auflösung des Selbst behaupten kann. Eine Utopie freilich, denn das Paradis Ardis ist auch als Gegenwelt Edens zu verstehen, als ein in Übertretung geschaffener Himmel. Der „Ada“ (russisch „Hölle“) können die Liebenden dabei nicht entgehen; dem „immerwährenden Nichtwähren“ [12] treten „Vaniada“ (russisch „Van und Ada“) aber gemeinsam und würdevoll entgegen:

„In Wirklichkeit hat die Frage des Vorrangs beim Sterben kaum noch irgendeine Bedeutung. Ich meine, der Held und die Heldin sollten zu dem Zeitpunkt, da der Schrecken beginnt, einander so nahe, so organisch nahe sein, dass sie sich selbst überschneiden, überkreuzen, überschmerzen…“  [13]

 

Literatur

[1] Vladimir Nabokov, Adada oder das Verlangen: eine Familienchronik (= Gesammelte Werke Bd. XI) Hg. Dieter E. Zimmer. Aus dem Engl. von Uwe Friesel und Dieter E. Zimmer. Reinbek bei Hamburg 2010, S. 107

[2] Ibid. S. 35

[3] Ibid. S. 107

[4] Dieter E. Zimmer, Nachwort. In: Nabokov, Ada, 2010, S. 827-848, hier s. 837

[5] Nabokov, Ada, 2010, S. 80

[6] Ibid. S. 107

[7] Ibid. S. 111

[8] Joachim Schnitter, Gärten als Kristallisationen von Zeit und Verlust bei Anton Tschechow und Vladimir Nabokov. In: Die Gartenkunst Jg. 25 (2013), Heft 1, S. 231-238

[9] Nabokov, Ada, S. 88

[10] Ibid. S. 107

[11] Ibid. S. 127

[12] Ibid. S. 818

[13] ibid

Grünzug Hamburg-Dulsberg: 1918-2018

Auf dem Dulsberg schufen der Hamburger Oberbaudirektor Fritz Schumacher und sein kongenialer Planungspartner Otto Linne als Gartendirektor ab 1918 eine der prägenden städtebaulichen Figuren im Hamburger Stadtteil Barmbek. Die Broschüre erläutert die originale Planungskonzeption vor Schumacher und Linne, ihre Neukonzeption, die Neuschöpfung des Grünzugs unter Gartenamtsleiter Werner Töpfer in den 1950er Jahren und die Entwicklung dieses bis heute bestehenden „kleinen Stadtparks“ mit zahlreichen zuvor unveröffentlichten Originalabbildungen.

Die 52-seitige Broschüre ist als Druckausgabe erhältlich beim
Bezirksamt Hamburg-Nord – Fachamt Management des öffentlichen Raumes – Fachabteilung Stadtgrün – Kümmellstraße 6 – 20249 Hamburg
Tel: 040 – 428 04 6052
Email: mr@hamburg-nord.hamburg.de

Hier können Sie die Broschüre kostenlos herunterladen.

Fachartikel: Der Dulsberger Grünzug

„mit einer Art innerem Staunen“
Der Dulsberger Grünzug als Zusammenwirken genialer Planung & unvorhersehbarer Geschehnisse

Der bogenförmige Grünzug des Dulsbergs sticht als markante Figur mit hohem Wiedererkennungswert auf jeder Karte und jedem Luftbild hervor. (Abb 1) Wer vor Ort die weitläufigen Wiesenflächen erreicht, spürt wohl, dass er ins Zentrum des Quartiers gelangt ist. Und möchte ausrufen, dass Baudirektor Schumacher nicht umsonst gerungen hat um diesen Ort!

Als „auffällig unauffällig“ wurde Dulsberg andererseits schon vor Jahrzehnten charakterisiert. Und auf den zweiten Blick mag auch etwas Ernüchterung folgen. Auf geschlossenen Wiesenflächen wechseln ausgewiesene Grillzonen mit eingestreuten Spielplätzen, einer Streetballanlage, einem Rosengarten, einer Hundewiese; die umgebenden Rotklinkerfassaden verschwinden weitgehend hinter – bisweilen durchaus markanten – Baumgestalten; und doch will sich der Eindruck des Besonderen nicht ohne weiteres einstellen.

Grund dafür ist eine Reihe gestalterischer und funktionaler Brüche, die das Areal in seiner über 100-jährigen Geschichte erfahren hat. Eine eigene Faszination vermögen sie aber erst bei genauerer Betrachtung zu entfalten:

 

Weltanschauung im Garten

Bereits der erste Bebauungsplan für den Dulsberg aus dem Jahre 1903 wies in einem ansonsten eng bebaubaren Quartier zwei Grünflächen auf. (Abb. 2) Eine kleinere an der heutigen Probsteier Straße, die als Spielplatz dienen sollte und auch als solcher realisiert wurde. Und eine größere, im Schnittpunkt der geplanten Hauptstraßen gelegen: Eine von Wegen ornamental gegliederte Rasenfläche mit locker verteilten Gehölzpflanzungen und platzartigen Aufweitungen – eine davon als Kirchplatz vorgesehen. Diese Schmuckanlage im spätlandschaftlichen Stil des 19. Jahrhunderts sollte allenfalls gemessenen Schrittes durchwandelt, sicher nicht durch die Nutzer „in Besitz genommen“ werden. Die damals laut werdenden Rufe nach Benutzbarkeit und einer neuen Formensprache öffentlicher Parks schätzte Planverfasser Eduard Vermehren (1847–1918), von 1901–1907 Oberinspektor des Ingenieurwesens und ein Gestalter der alten Schule, offenbar wenig.

Angesichts dieses ersten Bebauungsplans schien es dem seit 1909 als Hamburger Baudirektor amtierenden Fritz Schumacher (1869–1947) nicht nachvollziehbar, dass ein Gebiet mit der Einwohnerzahl einer Kleinstadt nur einen einzigen Grünfleck „unbegreiflicherweise mitten im Zug einer Ausfallstraße“ haben sollte. Im Gegensatz zu Vermehren stand Schumacher progressiven Kräften in Architektur und Gartenkunst nahe, für die in öffentlichen Gärten nicht Repräsentation, als vielmehr ein unmittelbarer sozialer Nutzen im Vordergrund stehen sollte: für Sport, Kinderspiel oder auch als Versammlungs- oder Picknickplatz.

Diese Überlegungen beförderten eine neue, als „Reformgartenkunst“ bezeichnete Ästhetik, die ihre Nähe zum Hochbau nicht verbarg: Stolz nannten sich Gartenkünstler nun „Gartenarchitekten“, planten Grünanlagen wie Zimmer eines Hauses als Funktionsräume von geometrischem Zuschnitt. Umgekehrt war seitens des Hochbaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Annäherung zur Gartenkunst zu verzeichnen: Inspiriert vom Prinzip des aus England kommenden „Garden City Movement“ entwarfen in den 1910er Jahren auch deutsche Stadtplaner Siedlungen mit großzügigen zentralen Grünanlagen. Diese „Innenparks“ sollten das gestalterische und ideelle Kernstück modernen Siedlungswesens darstellen und eine physisch und psychisch gesunde Generation von Stadtbewohnern bilden helfen. Diesem Anspruch sollte nun auch der Dulsberg genügen.

 

Schumacher als Stratege

Hatte Schumacher bereits die Reform des Kleinwohnungsgesetzes 1918 durch Publikationen strategisch geschickt befördert und durch Bekanntmachungen flankiert (Hipp 2009), so scheint er auf dem Dulsberg mithilfe der „Patriotischen Gesellschaft von 1765“ nicht weniger geschickt agiert zu haben. Die Patriotische Gesellschaft ist ein von Hamburger Bürgern getragener gemeinnütziger Verein, der sich seit der Aufklärung für Verbesserungen im öffentlichen Sektor einsetzte: Die Einführung des Kartoffelanbaus und des Blitzableiters in Hamburg, die Gründung der ersten Sparkasse in Europa sowie die Gründung öffentlicher Bücherhallen und Museen gingen auf die bis heute bestehende Gesellschaft zurück. Mit Blick auf Dulsberg suchte der gesellschaftseigene „Ausschuss für das Siedlungswesen“ 1917 in Gesprächen mit Schumacher und der Baudeputation zu klären, wie sich „die Kleinwohnung für die minderbemittelte Bevölkerung“ durch Einzelhäuser oder maximal dreigeschossige Mietshäuser wirtschaftlich bauen ließ, ohne auf die geschmähten „Mietskasernen“ zurückgreifen zu müssen.

Der Ausschuss war mit engagierten Fachleuten wie Dr. Knauer, Rudolf. Bendixen und E. Neue sowie dem Architekten Hugo Groothoff (1851–1918) besetzt. Dennoch kritisierte Schumacher diesen Vorstoß als „uferlosen Idealismus“. Aber die Forderungen der Patriotischen Gesellschaft kamen ihm sicher nicht ungelegen, unterstützten sie doch seinen Wunsch nach vollständiger Überarbeitung des alten Bebauungsplans. Der von der Patriotischen Gesellschaft überarbeitete Bebauungsplan ähnelte Schumachers wenig später vorgelegter Lösung zudem auffallend (Abb. 3) und legt die Vermutung nahe, Schumacher habe Einfluss genommen, um möglichst große Übereinstimmungen mit seinen eigenen Vorstellungen zu erzielen.

 

Der 1917 verabschiedete neue Bebauungsplan ließ den zentralen Grünzug bogenförmig nach Südosten schwenken und schuf damit Raum für eine kreuzende, Spielplätzen gewidmete Grünachse. Im unmittelbaren Umfeld des Grünzugs hatte Schumacher die Bauhöhe „herabgezont“ –  überwiegend auf drei Geschosse reduziert – was einen organisch wirkenden Übergang von den Vegetationsflächen zu den weiter entfernten, maximal fünfgeschossigen Baukörpern schuf.

Der Schöpfer zeigte sich angesichts der Entwicklung der eigenen Gestaltungsprinzipien selbst überrascht: „Ich merkte mit einer Art innerem Staunen, dass ich eine neue Sprache beherrschte […].“ (Schumacher, Stufen des Lebens)

Dass es gelungen war, trotz Herabzonung noch Platz für einen weitläufigen Freiraum für Erholung und soziale Interaktion zu generieren, vermerkte Schumacher später stolz: Es möge „im ersten Augenblick wie ein Wunder“ erscheinen, belege aber, dass man städtebauliche Ziele durch Überlegung erreichen kann, wenn man nur genügend große Flächen und „wirkliche Bewegungsfreiheit“ habe. (Abb 4)

 

Der Gartendirektor zieht die Register

Die Ausgestaltung des Grünzugs oblag dem seit 1914 amtierenden Hamburger Gartendirektor Otto Linne (1869–1937). Der mit Schumacher gleichaltrige und ebenfalls aus Bremen stammende Linne war bereits Gartendirektor in Erfurt und Essen gewesen, bevor er in Hamburg mit einem Arbeitsberg überhäuft worden war: Die Umgestaltung ehemals privater Parks zu öffentlichen Grünanlagen, die Modernisierung bestehender Grünanlagen und die Schaffung neuer Parks und Spielplätze lag in seinen Händen (Abb. 5). Mit Schumacher hatte er bereits bei der kontrovers diskutierten Gestaltung des Hamburger Stadtparks hervorragend zusammengearbeitet. Seit 1919 oblag ihm zusätzlich die Leitung des Hauptfriedhofs Ohlsdorf, dessen großer östlicher Erweiterungsteil hauptsächlich auf seine Planung zurückgeht. Mit dem ersten Bauabschnitt im Südwesten Dulsbergs nahm ab 1921 nun auch der Grünzug unter seiner Leitung Gestalt an.

Der Reformgartenkünstler Linne definierte den Grünzug in Teilabschnitten unterschiedlicher Funktionen (Abb. 6): Ein großer Spielrasen und ein weitläufiger Sandspielplatz, blumengeschmückte „Alte-Leute-Gärten“ und „Erzählersenken“ – ungefähr halbrunde, flache Rasentribünen mit formalen Heckeneinfassungen; dazu interpretierte Linne die Spielplatzachse sportlich, mit Rasensportfeldern und einer „Kampfbahn“. Unangefochtener Höhepunkt des Ensembles war ein Planschbecken, dass im Sommer von Kindern wimmelte: Ein kleiner Stadtpark im Quartier! (Abb. 7)

Indem Linne die von flachen Wiesen- und Sandflächen bestimmten Teilräume untereinander, vor allem aber gegen die umgebende Bebauung mit regelmäßigen Baumreihen und Hecken absetzte, führte er die Herabzonung der Architektur in der Vegetation fort. Und hatte Schumacher durch den bogigen Verlauf des Grünzugs dafür gesorgt, dass keine schier endlosen Raum- oder Straßenachsen entstünden, ließ nun die fast perfekte Spiegelsymmetrie der Einzelgärten den Eindruck einer Mittelachse des gesamten städtebaulichen Ensembles entstehen: Ein selten erreichtes Ineinandergreifen von Städtebau und Gartenarchitektur.

Nach Linnes Pensionierung im Jahr 1933 – vermutlich wegen politischer Differenzen mit dem NS-Regime – geriet die Fortführung des Grünzugs bis zur damaligen Landesgrenze nach Wandsbek ins Stocken. Die bis dahin geschaffene Gestalt war indessen eindrucksvoll genug und bestand bis in die Jahre des Zweiten Weltkriegs.

 

Alles auf Null

Sogar nach den Flächenbränden vom Juli 1943 zeigte sich der Grünzug in seinem Baumbestand erstaunlich geschlossen (Abb.8). Erst die kalten Nachkriegswinter ließen die Bäume als Heizmaterial in Notwohnungen und in den blechernen „Nissenhütten“ verschwinden, die auf der großen Wiese an der Vogesenstraße errichtet worden waren. Zusätzlich wurden die Binnenstrukturen des Grünzugs durch privaten Gemüseanbau der Bewohnerschaft überformt und südlich der „Kampfbahn“ eine Trümmeraufbereitungsanlage errichtet: Im Grünzug bildete sich die „Stunde Null“ der Gesellschaft ab (Abb. 9).

Weit entfernt davon, die vernichtete Gartenarchitektur der Vorkriegszeit wiedererstehen zu lassen, entwickelte die nach dem Krieg eingerichtete Gartenbauabteilung des Bezirks Hamburg-Nord unter ihrem Leiter Werner Töpfer ein völlig konträres Konzept: Zusammenhängende und weitläufige Wiesenflächen, eingefasst von landschaftlichen Gehölzpflanzungen, sollten von nun an die Anlage bestimmen. Als seien sie aus alten Feldwegen hervorgegangen, querten kurze Fußwege in aufgelockerten Verlauf die Wiesenflächen, ähnlich der Idee des „aufgelockerten Städtebaus“ dieser Zeit. Eine kleine heile Welt, die mit den strengen Formen der Vorkriegszeit brechen und einen Neuanfang für eine offene Gesellschaft versuchen wollte Abb. 10).

Von den alten Funktionsräumen überlebte nur das Planschbecken – ergänzt mit einem rahmenden Belag aus Betonplatten und Asphalt – wie eine Insel im weiten Wiesenstreifen (Abb. 11).

Zusätzlich aber schuf Töpfer auf dem Platz der ehemaligen Trümmeraufbereitungsanlage einen neuen und modernen Spielbereich. Mit erkennbarem Stolz erläuterte er, dass die „in Form einer eingedrückten ‚8‘ angelegt(en)“, 225 Meter langen Fahrbahnen „wie auf der Autobahn“ voneinander getrennt verliefen. Mithilfe eines Tunnels werde zudem ein kreuzungsfreier Verkehr gewährleistet. Der dabei entstandene 2,50 Meter hohe Abfahrtshügel werde von den Kindern eifrig genutzt, die „mit den Rollern schneidig heruntergefahren“ kämen und „mit Eleganz in die Kurve“ gingen (Abb. 12). Von nah und fern kämen die Kinder „zu diesem neuartigen Spielplatz“.

 

Spielraum Stadt & Kulturdenkmal

Zwischen den 1960er und -90er Jahren musste die Siedlung mit einer sich wandelnden Sozialstruktur seiner Bewohner fertig werden. Es ging die Rede von Armut, Kriminalität und Verwahrlosung, die sich auch im öffentlichen Grün zeigte. In den 1990er Jahren mehrten sich zudem hamburgweit Klagen, dass Kinder und Jugendliche ihre Spielplätze sogar dann kaum annähmen, wenn diese frisch saniert waren (Baumgarten 1997). Eine neue Planergeneration begriff ihre dringendste Aufgabe daher häufig nicht mehr in der Schaffung flächendeckend durchgestylter Freiräume „am grünen Tisch“. Die Zeit spektakulärer Neuschöpfungen war abgelaufen. Auf dem Dulsberg fokussierten die Planer stattdessen auf eine Einbindung der Nutzer in Planungsprozesse (Abb. 13), in Bewusstseinsbildung und pragmatische, oft punktuell wirksame Lösungen (Spalink Sievers 1997) sowie auf die Vernetzung öffentlicher und institutioneller Grünflächen zum „Spielraum Stadt“. Stellvertretend für diese Planungsansätze stehen die in den Jahren 1999–2000 erfolgte Umwandlung des inzwischen funktionslosen Planschbeckens in ein Streetballfeld,die Schaffung eines benachbarten Freiraum-Jugendtreffs und nicht zuletzt die Einrichtung eines Mädchenspielplatzes an der dem Grünzug benachbarten Schule Alter Teichweg .

 

Auffällig unauffällig? Bei näherer Kenntnis dürfte sich dieser Eindruck wandeln, denn zweifellos: Es war ein großer Wurf, der hier in den 1920er Jahren auch grünplanerisch gelang. Wäre die damals geschaffene Gartenarchitektur noch ansatzweise vorhanden, es genügte wohl, den immerwährenden Ruhm des Grünzugs zu begründen…

Dass es anders kam und eine nach dem verheerenden Krieg sich unversehens demokratisch verstehende Gesellschaft in den 1950ern Tabula rasa machen, dass die in den 1990er Jahren „abgespielte“ Anlage erneut einem gewandelten Selbst- und Gesellschaftsverständnis der Planer und Nutzer angepasst werden würde: Wer hätte es vorhersehen können? Gegen die ambitionierten freirauplanerischen Gesamtlösungen der 1920er und auch der 1950er Jahre wirkten gesamtgesellschaftliche Geschehen: erdrutschartig ab 1943, ab den 1960er Jahren langsam und stetig, übten sie erheblichen Veränderungsdruck aus, der auch eine besondere Anlage wie die auf dem Dulsberg langfristig zu nivellieren drohte. Doch trotz aller gestalterischer und funktionaler Ungereimtheiten im Detail macht eine Stärke der Anlage aus, dass sie sich im Großen so trotzig unbeeindruckt erhalten hat.

Eine neue Zeit produziert auch für ihre Grünanlagen neue, zeittypische Herausforderungen, die mit Geburtenrückgang, Stadtwachstum und Denkmalschutz nur angedeutet sein mögen. Gerade diese nunmehr 100-jährige Bedarf- und Reaktions-Schichtung aber macht den Dulsberg aus. Er wäre mit gewissem Recht als Abbild unserer jüngeren Gesellschaftsgeschichte zu bezeichnen. Je suis Dulsberg!

 

 

Literatur

Baumgarten, Heiner: Konzeption „Spielraum Stadt“ für Hamburg, in: stadt+grün, Jg. 46 (1997) H. 5, S. 299–304, S. 301

Hipp, Hermann: Wohnstadt Hamburg : Mietshäuser zwischen Inflation und Weltwirtschaftskrise. Neuausgabe mit aktuellen Beitr., Berlin 2009, S. 13

Schumacher, Fritz: Das Werden einer Wohnstadt : Bilder vom neuen Hamburg, Hamburg 1932

Schumacher, Fritz: Stufen des Lebens : Erinnerungen eines Baumeisters, 1935

Spalink-Sievers, Johanna: Spielraum Stadt : Untersuchungsgebiet Dulsberg-Nord. Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag der Freien und Hansestadt Hamburg, Hannover 1996

Spalink-Sievers, Johanna: Freiflächen-Entwicklungskonzept Dulsberg, in: stadt+grün, Jg. 46 (1997) H. 5, S. 305–310, S. 307f

Staatsarchiv Hamburg, Baudeputation B987, Bau einer Kleinwohnungssiedlung auf dem Dulsberggelände 1917-1926. Abschrift im Hamburger Denkmalschutzamt, Inv-Nr. 500002036

Töpfer, Werner: Aus Trümmeraufbereitungsanlage wird eine Rollerbahn, in: garten und landschaft, Jg. 64 (1954), S. 17

Wacholderpark – Öffentlicher Garten Fuhlsbüttel

Das Informationsschild zur Geschichte und Bedeutung dieses kleinen aber bedeutenden Stadtparks in Hamburg-Langenhorn wurde 2018 im Park aufgestellt.
Text, Bildauswahl und Layout durch Joachim Schnitter im Auftrag des Bezirksamtes Hamburg-Nord, MR, Fachabteilung Stadtgrün

  

 

Leberecht Migge

Er verstand sich als Sozialreformer: Mit spitzer Feder forderte Leberecht Migge Gärten als Basis einer sozialen und gesunden Gesellschaft.
Freianlagen sollten vor allem nutzbar sein und erst danach ästhetisch befriedigen. Als Gartenarchitekt plante er – finanziell und künstlerisch sehr erfolgreich – für Bürgertum und Städte.

Der 1881 in Danzig geborene Migge hatte bereits eine Gärtnerlehre absolviert, als er 1904 bei einem tonangebenden Gartenbaubetrieb seiner Zeit eintrat: Die Hamburger Firma Jacob Ochs verfügte über eigene Baumschulen, Möbelwerkstätten und Baukolonnen; sie beschäftigte Gartenarchitekten wie Hermann König und Heinrich Wiepking-Jürgensmann, die später deutschlandweite Bedeutung erlangten. Als künstlerischer Leiter bei Ochs arbeitete Migge mit Avantgarde-Architekten wie Hermann Muthesius und
Martin Wagner.
1913 machte sich Migge als Gartenarchitekt in Blankenese selbständig. Im selben Jahr erschien sein einflussreiches Werk „Die Gartenkultur des 20. Jahrhunderts“. Darin stellte er auch den noch unter Ochs entworfenen ‚Öffentlichen Garten Hamburg-Fuhlsbüttel‘ vor und bezeichnete ihn als „Spielpark, der erste Deutschlands sogar“!
Sehr selbstbewusst geizte Migge weder mit suggestiver Kritik gegen städtische Grünplanungen noch mit persönlichem Spott gegen Berufskollegen. Zeitgenossen attestierten ihm große künstlerische Begabung, aber auch eine „angeborene Neigung zu extremen Auffassungen“, eine „rücksichtslose Kampfesart“ und einen „höchst lodderlichen Sprachgebrauch“.
Migge entwarf unter anderem die Freiräume der Hufeisensiedlung in Berlin-Britz und Frankfurt-Römerstadt und wirkte im Umfeld der Worpsweder Künstlerkolonie.
Als Fachautor wandte er sich zunehmend gartenpraktischen Fragen zu: Seine Buchtitel „Jedermann Selbstversorger“ (1918) und „Die Binnenkolonisation“ (1926) wurden zu Schlachtrufen einer sozial orientierten Gartenkultur, die seinen Tod 1935 weit überdauerten.
Migges geniale Inszenierung des öffentlichen Gartens Fuhlsbüttel als multifunktionale, von Trampelpfaden durchzogene Spielfläche und ihre fast zwingend wirkende Kontrastierung mit der Formensprache der Reformgartenkunst ist seit 1909 wohl unerreicht.
Diese Gestaltung kann zudem als wichtiger Beitrag in der Hamburger Stadtparkdiskussion gewertet werden, die deutschlandweit ausstrahlte.

 

Öffentlicher Garten Hamburg-Fuhlsbüttel

Die Idee war so einfach wie genial: Wenn Parks für das Volk da sein sollten, warum dann nicht eine schlichte Wiese zu ihrem gestalterischen Mittelpunkt erheben? Einschließlich bestehender Trampelpfade rahmte Migge 1909 dieses minimalistische Zentrum mit dem Repertoire der Reformgartenkunst: Geschnittene Hecken, Bogengänge und Baumhaine, dazu ein Spielplatz und ein Blumengarten; als i-Tüpfelchen eine markant auf der Wiese platzierte Kastanie.

„Ich fand eine (…) große Wiese etwa 1 m höher als die umgebenden Straßen gelegen und von einem hohen Weißdornknick begleitet. Alles blieb erhalten und wurde praktisch benutzt. Die sonnige Wiese wurde als Kern und Wesentlichstes der ganzen Anlage behandelt. Auf ihrem von Löwenzahn, Glockenblumen, Klee und bunten Gräsern durchwirktem Plan sollen sich die Alten lagern, die Jungen Sport, Spiel und herzlichen Unfug treiben dürfen. Fußpfade durchziehen sie, im Vordergrund lastet der tiefe Schatten einer Kastanie über der einladenden Rundbank. Diese Wiese wird auf zwei Seiten von einem Lindenlaubengang begrenzt, dessen dichtes Laubdach kühlen Schatten spendet, während seine arkadenartig geöffneten Seiten den freien Ausblick erlauben.
Im Norden begleitet die Spielwiese der erwähnte Weißdornbusch (…)
Die letzte Seite der Wiese schließen dann zunächst zwei schattige Haine, die als Zufluchstätte gegen Sonne und Wetter dienen. Voneinander unterscheiden sie sich durch den Grundriß und harmonieren doch wieder durch die Wahl der Arten, Rotahorn und Birken. Die Baummassen dieser Haine bergen zwischen sich den kleinen Kinder- und Turnplatz, der mit allerlei Turngeräten und einem großen Sandkasten wohlausgestattet ist. Seinen Hintergrund bildet eine Zeile markanter Pyramidenpappeln, dazwischen für die beaufsichtigenden Mütter und Mädchen jeweils Heckennischen mit Bänken eingelassen sind. Dem kleinen Kinderplatz vorgelagert ist der vertieft angeordnete Blumengarten. Er ist als artenreicher Stauden- und Sommerblumengarten gedacht und dient nach Inhalt und Anordnung dem Lern- und Schönheitsbedürfnis zugleich. (…)
Die Einzelformungen ordneten sich auch hier unter einen Willen zum zusammenfassenden Rhythmus gartenarchitektonischer Art. Da ist nichts rührselig oder empfindsam oder malerisch-romantisch aufgefasst, sondern ein Menschenwerk ist in selbstbewußter, würdiger Ordnung menschlichen Zwecken erschlossen.“

(Leberecht Migge, Die Gartenkunst des 20. Jahrhunderts, Jena 1913)

 

„Was nützet mir ein schöner Garten ?“

1990 hob ein kleines, aber vielbeachtetes Buch unter diesem Titel die kunsthistorische Bedeutung der heute Wacholderpark genannten Anlage hervor.
Ein Vierteljahrhundert zuvor hatte der Park seinen markanten Haupteingang eingebüßt.
Nun geriet er als eine der ersten Grünanlagen in den Fokus der noch jungen Hamburger Gartendenkmalpflege.
Seitdem wird um seine vollständige Rekonstruktion und die Wiedergewinnung des Haupteingangs gerungen.

Mitte der 1960er Jahre wurde das auffällig geschnittene Grundstück, auf das Migge seine Gestaltung bezogen hatte, unter dem Vorzeichen der autogerechten Stadt zugunsten von Stellplätzen auf annähernd quadratische Form reduziert.
Erst der Einfluss der Umweltbewegung auf das Denkmalverständnis führte ab Ende der 1960er  Jahre dazu, Gärten grundsätzlich als denkmalwürdig begreifen zu können.
Mit der Institutionalisierung der Gartendenkmalpflege in Hamburg und dem Engagement privater Denkmalverbände erfuhr der Wacholderpark erste Wiederherstellungsmaßnahmen. Dazu gehörten 1996 der Lückenschluss der Lindenlaubengänge und die vollständige Replantierung des Birkenhains, verbunden mit einer Grundinstandsetzung des Spielplatzes 1999/2000. Gleichzeitig wurden auch die historischen Banknischen mit Ligusterhecken eingefasst und wieder mit weißen Holzbänken ausgestattet.
Der „Öffentliche Garten Fuhlsbüttel“ ist in Fach kreisen heute europaweit bekannt. Seine Pflege obliegt dem Fachbereich Stadtgrün des Bezirks
Hamburg-Nord.

Longing for Absence: Anton Chekhovs Garden in Yalta

Der folgende Artikel ist als Beitrag im Jahresheft  des Schwedischen Forums für gartengeschichtliche Forschung Heft 28 (2015), S. 15-18 in englischer Sprache erschienen. Er behandelt die Frage des Umgangs mit einer unzureichenden Quellenlage bei der Sanierung historischer Gärten anhand des Privatgartens von Anton Tschechow in Jalta:

 

Being the son of a luckless salesman Anton Chekhov (1860-1904) did not have the chance or the desire to do gardening when he was young and living in Moscow. But the importance of the garden topos both in his literary work and in his private life increased, reaching its climax with the writing of “The Cherry Orchard” and with his own garden that he laid out and maintained in his last years in Yalta. In the following I try to interpret this garden and to conclude guidelines for its conservation.

Origination: From farming to gardening

Since 1879 Chekhov lived together with his parents and siblings in a small apartment in Moscow. His father was not able to support the family so Anton – still in his twenties but earning some money with selling short stories – became the head of the family. His first noteworthy garden experiences he probably made at the summer-residences he rented in the mid 1880ies, but while he enjoyed fishing and relaxing the garden remained merely a background.

In 1892 Chekhov purchased the country estate of Melikhovo forty miles south of Moscow. He bought it for financial reasons and in order to gain new experiences that could be used in his writings, and maybe also for health-reasons as the first indications of tuberculosis had shown six years before. This became the start of his interest in gardening.

Chekhov moved with his parents and his sister Masha to Melikhovo to earn their living with farming, but they were also gardening: His father laid out new garden paths, his sister Masha cared for the kitchen garden and the orchard and he himself took over the planting of new trees. After the morning-coffee at 4 am Chekhov used to go into the garden, looking for the fruit trees or cowering at a trunk, watching it carefully. He spent whole days caring for the trees and the roses. He also built a new pond and planted trees around it.[1] His sister Masha remembered: “To plant, to build, to layout and to nurse – this was Anton’s element.” [2]

After a severe bleeding of his lungs in 1897 his doctors advised him to move to the subtropical climate of the Crimea. When he moved to Yalta in 1898 he seemed to be aware that he did not have many years left. To secure his mother and sister financially he sold his entire work to a publisher for 75.000 rubles. As part of the deal he had to assort and to rework all his older novels. Rather well-off but ill and with a lot of work to be done it you would have thought him to buy an estate with all comfort, but instead Chekhov bought an unimproved ground in the Tartar village Autka near Yalta and started from zero.

Although the place showed “no single tree, no single bush, but an old, forgotten, knobby grape-vine that loomed out of the dry, adamant soil” [3] Chekhov and Masha were both inspired by it:

“At night we sat in Anton’s apartment and worked on a map for the property: where the future house should be built, how the garden should be differentiated, we marked the paths in the garden […]. We were so engrossed in our plans and were so lost in our reveries that we even imagined grottoes and fountains […].[4]

While the house was under construction, Chekhov was busy laying outthe garden. He ordered trees and bushes from all over Russia, among them peach-, apricot- and cherry-trees. He planted espaliers of apple and pear.[5] He was supported by his employee Arseniy, who had worked in Nikitsky Botanical Garden nearby Yalta before. [6] However, Chekov considered himself to be more competent than Arseniy, and did not allow him to do any tree cutting while the landlord was away.

In November 1899 Chekhov proudly wrote:

“The garden becomes extraordinary. I am planting all by myself, with my own hands. I have planted one hundred roses, the most precious and cultivated breeds. […]many camellias, lilies, tuberoses et cetera.”[7]

During spring of year 1900 he planted Palm trees and “put little benches all over in the garden, no luxury benches with iron stands but wooden ones”.[8]

Interpretation: “A Carrot is a Carrot”

Chekhov’s letters tell of many different trees and flowers which point at a colorful and manifold garden. Chekhov considered it “beautiful, but […] untidy, dirty, the garden of a dilettante”. [9] In contrast Mikhail Chekhov remembered that his brother planted the trees “precisely as a surgeon”.[10]  In fact, the garden seems to have resembled the typical gardens of Crimea as can be seen in a painting by Chekhov’s friend Isaak Levitan (1860-1900) from 1886. [11] There was neither a strong zonal structure nor a symmetrical axis in the garden. The garden-pathways bordered a multitude of subspaces that seem to have been without any hierarchy. Nevertheless, the laying out was far from being arbitrary. But what was the underlying idea of this design?

Cultural development and optimism of improvement

His friend Alexander Kuprin resumed that Chekhov had seen his garden as a symbol of progress and general cultivation. He quoted Chekhov:

“Before I came here all this was waste land and ravines, all covered with stones and thistles. Then I came and turned this wilderness into a cultivated, beautiful place. Do you know […] that in three or four hundred years all the earth will become a flourishing garden.”[12]

Although this points at the typical 19th century dream of progress and of entire cultivation Chekhov’s letters also indicated deep pessimism. His friend Ivan Bunin reported Chekhov meant to have proofs for a life after death one day and the other day was strongly convinced of the opposite. [13] We have to be aware of one-dimensional explanations.

Keeping a controllable distance

Derived from Chekhov’s tale “Man in A Case” spatial organization and a convenient distance to people  seem to have been of vital importance to the writer. In Moscow he had suffered from the overcrowded apartment of his family. In Melikhovo he built an annex he could escape to when his admirers beleaguered the dwelling-house. In Autka he often complained about a too small number of guests but also about too many of them: these two opposites both kept him from working. His garden, with its many subspaces, was composed to enable him to find the perfect distance at any time.

The house was designed as if it had been supplemented several times, and it had many doors, which made it easy to switch between in- and outside. Through the half-open spaces of the veranda, the balcony and the souterrain, the borderline between inner and outer space got permeable. Vertical green at the southern façade intensified this merger between dwelling-house and garden.

Chekhov also bought the little estates of Gurzuv and Kutchuk-Koj nearby, although this was not easy for him to afford. Forced to sell Kutchuk-Koj after a short time Gurzuv remained his hideaway when he was tired of his guests in Autka.

In 1901 Chekhov got married to the actress Olga Knipper. She worked in Moscow and stayed in Gurzuv when visiting her husband. His sister Masha remained the majordomo of Autka. This arrangement was not only due to the fact that Olga was indispensable at the theatre in Moscow, but also because Chekhov did not wish to see his wife every day. Already in 1895 he wrote in a letter to a friend:

“By all means I will be married if you wish it. But on these conditions: everything must be as it has been hitherto—that is, she must live in Moscow while I live in the country, and I will come and see her … give me a wife who, like the moon, won’t appear in my sky every day.”[14]

The question of distance something he reflected a lot upon. In 1889 he wrote that one has to be “absolutely indifferent”,[15] for only the indifferent is able to see things clearly, to be fair and to work. This conviction is based on the philosophy of Marc Aurel which was a major guideline in Chekhov’s life.[16] In this regard Autka was part of a Chekhovian characteristic: the keeping of a controllable distance.

A symbol of paradise?

Soon Chekhov got sick of Yalta and felt uprooted from Moscow and its cultural life. Working in his garden was a kind of distraction from loneliness and the boredom of the province.

His beloved Melikhovo by this time was ruined: His sister Masha described the new owner of Melikhovo as an unscrupulous merchant forwood who would not shrink back from cutting down the linden-alley.[17] So by laying out the garden Chekhov also prepared his home to become a new Melikhovo for his family.

From December 1902 Chekhov worked on his last play, “the Cherry Orchard”, feeling depressed by loneliness and by a marriage crisis, while Olga felt guilty of a miscarriage and unaccepted by Masha. In the play “The Cherry Orchard” some of these facts reappear: A family of landholders must sell their property, containing a precious cherry orchard. The ruthless buyer wants to subdivide the estate and to uproot the trees. The family is reluctant to sell the estate because the garden symbolizes a happy past that they do not want to lose. For the mother of the family the garden also holds the memory of her deceased child. As she blames herself for his death she feels bound to keep the garden alive and with it the memory of her son.

Apparently the story was influenced by Chekhov’s own experiences. Surely, the destruction of the alley at Melikhovo played a role, as well as his desire for the past and maybe even the loss of the child he and Olga had strongly desired.

The Russian philologist Olga Spachil has explained the origins of Chekhov’s play “The Cherry Orchard” from the southern Russian and Ukraine folklore:  A cherry orchard – planted with cherry and other fruit-trees – symbolized the chasteness of a young woman and her security in her parent’s home. It also symbolized the desire for, and the meeting with, her bridegroom. For married women the cherry orchard symbolized the past. A belief originating from pre-Christian times is that the birds sitting in the fruit-trees hold the souls of the dead or bring news from home. In the 19th century, according to Spachil, it was quite widespread in southern Russia to bury unchristened children in the cherry orchard.

This complex mythologem passes on the paradise-motive as a place of desire and of the afterworld in significant aspects, that can be found in the garden of Autka:

  • a high number of fruit trees that according to historic pictures seem to have formed a little cherry orchard in the southern part of his garden.
  • a small stream flowed through Chekhov’s garden as in the traditionally imagined paradise garden
  • the funeral motive can be found in reality in the tartar graveyard close to Chekhov’s ground and imaginary in the memory of the unborn child
  • In the Ukrainian folklore an old man tries to lure a young woman with his wonderful cherry orchard. Several of Chekhov’s letters to Olga seem to refer to this traditional motive.

Chekhov’s garden in Autka has clearly been a reference for his considerations on the play “The Cherry Orchard”. Vice versa his fictional cherry orchard, its roots in the folklore and in the religious tradition can help us understand what Chekhov saw in his real garden.

Varied meanings or no meaning?

Why did Chekhov put so much of his energy into creating this paradise although he was aware that he would not live to see its zenith? Referring to Chekhov’s philanthropy alone occurs too simple, even more so as Chekhov’s literary gardens and garden-utopias as in “The Black Monk”, “My life”, “The New Villa”, ”Cherry Orchard”, “Gooseberries” and “Uncle Vanja” all collapse.

Autka rather seems to result out of a stoic view onto the world, the dualism of responsibility and callousness. In the paradise motive of Autka showed an existentialist “however”: Facing his near disappearance he was sure his work would not endure – he not even thought his literary opus would be read longer than seven years after his death. So in his last years Chekhov did not work primary to influence the society or the environment; he tried to form his character according to Marc Aurel’s “Meditations” because for Chekhov thus constituted a good life. His friend Ivan Bunin resumed: “Chekhov’s true, only hero – is the hopeless human being” [19]

Concerning his literary work, researchers speak of Chekhov’s “perspectivism”, [20] of the Reality that lies in the individual perspective. Likewise, no interpretation should be claimed exclusively right but rather as aspects of his garden idea. If we would get the chance to ask Chekhov about the “meaning” of his garden we might get the same kind of answer as his wife got when asking about the meaning of life:

You ask “What is life?” That is the same as asking “What is a carrot?” A carrot is a carrot and we know nothing more. [21]

Perspektivism in Preservation

Even if Chekhov himself in his desire for indifference would not care about the cultural worth of his garden today, it occurs important to me to keep the garden as authentic as possible. Not only because it is the living legacy of a great artist or because it manifests a background of his play “The Cherry Orchard” but even more because it makes central parts of Chekhov’s stoic approach towards life visible.

Directly after Chekhov’s death in 1904 his sister Masha made his house a private Museum. In 1921it was declared an official Chekhov-Museum and Masha became the first director. As she dedicated her life to the memory of her brother she changed as little as possible, but unlike the house the garden could not fall asleep. One of the most drastic interventions was the transforming of the stream into a concrete canal in order to avoid water erosion. The path system remained original. But of cause the vegetation has developed: Today you find hardly an original fruit tree in the garden. Some original conifers nearby the houses partly have reached enormous volumes and there are groups of original bamboo and cypress at the southern border. Most cherries and palms do not seem to be original. At the southern façade of the dwelling house there is an original Rosa banksiae with an impressive bloomage every year. The flowerbeds contain different roses, red tulips, stephanandra, arum, ivy, lesser periwinkle and much more. Still there is no planting-system in evidence.

Despite a number of photographs that show the garden in Anton’s and Masha’s time we have but little information about the original vegetation as a historic planting plan is missing. The most important step towards a garden-historic maintenance concept therefore is to let a field surveyor make a detailed as-completed drawing of the present. The second step should be to reconstruct at least three layers of time whose importance for preserving guidelines have to be traded against each other :

  1. the year 1904, which most clearly represents the garden designed by Chekhov. However, it does not represent the zenith of the vegetation.
  2. a second layer is to be suggested shortly before the conversion of the stream into a canal, presumably within the first decades of the 20th century, which would represent the artist’s – Anton’s- intentions probably most accurate.
  3. Moreover Masha’s work, done in 5 decades throughout two world wars and the Stalin-Era, must be valued as a cultural worth of its own. In the garden it represented the continuity of care by the Chekhov family with a third zenith around the 1950ies.

As these kinds of basic considerations have not been done yet I have discussed the importance of preserving guidelines with director Alexander Titorenko of the Chekhov House-Museum in 2012 and 2013 in Yalta. After the political overthrows of Crimea in 2014 it was technically not possible – whether by e-Mail, mail nor telephone – to get in touch again. As soon as possible I will try to renew the contact, to support the execution of the above mentioned first step financially and to discuss the next steps. But even before this it may be useful to think about certain aspects of preservation and reconstruction:

Although it may be possible to identify many of the original trees from the pictures it would be useless to plant f. e. fruit trees beneath the crowns of the original conifers. Valuing the original vegetable substance of utmost significance for the authenticity in general, in this special case its preservation is of even higher importance since the artist planted it all by himself and was extremely proud of that. But as most of the big original trees are located nearby the house it may be possible to replant the southern part of the garden according to the historic pictures with fruit trees again to make the Cherry Orchard /paradise Motive visible again.The situation is even more problematic when it comes to perennial herbs: Although we know a lot about what different roses and perennial herbs Chekhov planted, no historic planting plan exists.

As it is questionable if we will ever know exactly what the garden looked like I suggest using the garden around the new Museum buildings nearby as proving grounds: Here could be the place to plant our imaginations of Chekhov’s use of these plants to show possible past conditions without influencing the authentic historical ground. On the historical ground of the garden I plead for a very simple plantation with just one or two kinds of herbs that keep the ground covered without attracting attention. Instead of an arbitrary planting that could be found anywhere we should show our lack of knowledge.

Showing the absence, the bad spots in the garden would make the discontinuity of the place visible. It would not only be an honest handling with a garden-historic problem,  even more it could symbolize Chekhov’s desire for complete indifference, for callousness and absence.

[1] Chekhov 2010 : 179

[2] Tschechowa 2004 : 120. My translation

[3] Tschechowa 2004 : 202-203. My translation

[4] Tschechowa 2004 : 202-203. My translation

[5] Knipper 1998 : 67-68. My translation

[6] Čechov 1979b : 196. My translation

[7] Čechov 1979c : 200. My translation

[8] Čechov 1979c : 238. My translation

[9] Čechov 1979c : 249. My translation

[10]Chekhov 2010 : 213

[11] Levitan 1886

[12] Kuprin 2015

[13] Bunin 2004 : 59

[14] Čechov 1979b : 183. My translation.

[15] Čechov 1979a, p. 21. My translation.

[16] Urban 1997 : 12

[17] Tschechowa 2004 : 213

[18] Spachil 2004 : 139-147

[19] Bunin 2004, S. 77

[20] Leitner, 1997 : 58-64

[21] Knipper 1998 : 400. My translation

Das Gehege im Dockenhudener Hirschpark

Informationsschild. Text und Layout im Auftrag des Bezirksamts Hamburg-Altona, MR, Fachabteilung Stadtgrün, 2014

   

Der Hirschpark trägt seinen Namen nach dem Wildgehege, das der Hamburger Kaufmann Johan Cesar VI Godeffroy Mitte des 19. Jahrhunderts in seinem Park einrichtete.
Godeffroy forstete systematisch große Teile vormals sandiger Flächen in Rissen, Blankenese, Sülldorf und Iserbrook auf. Er sorgte auch für die Bestandsvermehrung von Rehwild, Fasanen und Wildkaninchen. Wegen seiner überseeischen Besitzungen wurde er als ungekrönter König der Südsee bekannt. Als begeisterter Jäger veranstaltete er mit Freunden gemeinsame Jagden durch seine Reviere und gab zum Abschluss große Diners im Dockenhudener Landhaus.

1889 erwarb der Kaufmann E. A. Wriedt das Anwesen. Der Park mit dem Wildgehege war für Besucher zugänglich. Seit 1924 mitsamt dem Gehege in öffentlicher Hand, blieb der Wildbestand bis in die 1940er Jahre erhalten. Nach einem Leerstand während der Kriegsjahre wurde das Gehege Anfang der 1950er Jahre erneut mit Wild besetzt.
Als erste Vertreterin der Rothirsch-Gattung zog 1953 mit Hirschkuh „Meta“ eine unvergessene Persönlichkeit ins Gehege:

„Verhältnismäßig jung an Jahren, war sie ganz Rotwilddame vom Kopfe bis zum Hufe. Allseitige Bewunderung rief die feine und elastische Art ihres Ganges hervor. (…)
zu keiner Stunde mangelte es ihr an Appetit. Zusehends entwickelten sich ihre Kurven.“
(Max Kleicke, 1962)

Hamburgweit bekannt wurde der Rothirsch „Fritz“. Von einem Bauern aus Bargstedt war dieser als halb verhungertes Hirschkalb aufgefunden und mit der
Flasche aufgezogen worden, die erste Zeit sogar in der bäuerlichen Wohnung. 1956 zog Fritz zu Meta in den Hirschpark, und schon im Sommer darauf war mit „Juno“ der gemeinsame Nachwuchs zu bewundern.

1960 gründete sich ein Verein, um sich für eine artgerechte Wildhaltung einzusetzen. Längst reicht sein Einsatzdarüber hinaus: Die Mitglieder vom „Verein der Freunde des Hirschparks Blankenese und des Wildgeheges Klövensteen e.V.“ engagieren sich in vielen Fragen rund um den Hirschpark mit ihrem Wissen und mit großzügigen Spenden.

Die Verwaltung von Park und Gehege obliegt der Fachabteilung Stadtgrün im Bezirk Altona.