Rosengarten in Hamburg-Neumühlen

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Der „Altonaer Stadtpark“ auf einem Foto von Wilhelm Dreesen, 1894 (aus: In und um Altona: Original-Aufnahmen von Hof-Photograph Wilhelm Dreesen in Flensburg, Altona 1894)

Vor 1793: Kleingewerbe und erste Gartenanlagen

Der heutige Rosengarten in Hamburg-Neumühlen gehörte im 16. Jahrhundert zum Besitz des Joachim Bergeest. 1665 vermieteten Bergeests Erben das Anwesen als Gasthaus. 1676 erwarb der wohlhabende Eisenhändler Bartold Jenckel den Besitz für 4000 Mark Banco und wandelte ihn in einen sommerlichen Landsitz mit Lustgarten um. Sein Besitz umfasste das Gebiet des heutigen „Donners Park“ im Osten und des heutigen „Rosengarten“ im Westen. Nach Jenckels Tod teilte und verkaufte seine Witwe das Anwesen. [1]

Christian Jürgens erbaute an dem kleinen, am unteren Plateau vorhandenen Teich (später EWU-Gelände) eine Pulvermühle, die vermutlich Schießpulver für die Grönlandfahrer lieferte. Die Mühle explodierte 1738. zwei Jahre später erwarben der Kommerzienrat Johann Biedenharn und Wilm Wilmsen das Anwesen, um darauf eine Ölmühle zu errichten. 1757 ging diese an den Hamburger Oberalten Johann Gottlieb Gerhard über, der um die Ölmühle herum die ersten dort erwähnten Gartenanlagen gestaltete. [2]

1793-1890: Die Besitzung unter Lawaetz, Woermann und Wriedt

Von Kammerrat Stuhlmann erwarb 1793 der Konferenzrat Johann Daniel Lawaetz (1750-1826) das Anwesen und errichtete längs des Neumühlener Elbstrandes Werkstätten (Wollzeug-, Leinen- u. Segeltuchfabrik, Tabakfabrik, Stärkemehlfabrik, Papiermühle und Wachsbleiche). Die Gebäude konzentrierten sich am unteren Teil des Heubergs, über den die Bauern traditionell das auf den Elbinseln geerntete Heu einfuhren. Oberhalb der Fabriken lag Lawaetz Landhaus mit dem umgebenden Garten. [3] Das Gebäude ließ er durch Christian Friedrich Hansen als lang gestreckte, weiße Villa im klassizistischen Stil errichten. Lawaetz Gärtnerhaus war 1794 westlich der Villa an der Flottbeker Chaussee erbaut worden. [4] Lawaetz hatte nicht nur die Schleswig-Holsteinische Patriotische Gesellschaft gegründet und ein Werk über staatliche Sozialfürsorge verfasst, er förderte auch Armenunterstützungsinstitute und forderte eine staatliche Einflussnahme auf den Arbeitsmarkt. Die enge räumliche Bindung von Arbeits- und Wohnstätte kann als Aspekt eines physiokratischen Ansatzes interpretiert werden: In Neumühlen setzte er in patriarchalischem Gestus sein eigenes Landhaus über die Arbeitsstätten seiner Arbeiter, verschönerte die Umgegend und entwickelte sie gleichzeitig industriell weiter, verband ganz im Geiste der Aufklärung „das Schöne mit dem Nützlichen“.

Von Lawaetz Erben pachtete der Kaufmann und Reeder Carl Woermann (1813-1880) das Gelände 1856 für dreißig Jahre und errichtete auf der Anhöhe nahe der heutigen Elbchaussee ein einfaches Landhaus. 1875 ging der gesamte Besitz von Lawaetz Erben – einschließlich des zwischenzeitlich an Woermann verpachteten Teils – an den Altonaer Kaufmann Kommerzienrat Ernst August Wriedt (1842-1923) über, der die vormals Lawaetzsche Villa mit Garten bewohnte. [5] Über Wriedts Aktivitäten in Neumühlen ist kaum etwas bekannt, doch scheint diese Phase prägend gewesen zu sein, war doch der Garten bis 1914 als „Wriedt’scher Park“ bekannt. [6]

1890-1913: Umwidmung zum Altonaer Stadtpark

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Wilhelm Holtz (aus: Die Gartenkunst, 14. Jg, Heft 9, 1912, S. 146. Repro: Bücherei des deutschen Gartenbaues e.V.)

1890, ein Jahr nachdem Wriedt den Hirschpark in Dockenhuden erworben hatte, veräußerte er seinen Besitz in Neumühlen 1,25 Millionen Mark an die Stadt Altona, [7] die daran interessiert war die Herstellung einer bequemen Zufuhrstraße nach dem Hafen von der Stadt aus zu sichern, und die Flottbeker Chaussee verbreitern zu können. [8] Außerdem bot sich die Fläche als Kompensation für den seit 1661 bestehenden, öffentlich zugänglichen Garten „Ottensener Park“ an, der 1893 bebaut worden. [9]

1904 erstellte Altonas Stadtgärtner Wilhelm Holtz (1846-1912) einen Entwurfsplan dieses Areals, der. auch das verpachtete Areal um die Lawaetzsche Villa in die Gesamtkonzeption einbezog. Zwar verzeichnete er die Grundstücksgrenze, doch lässt die Wegeführung keinen Zweifel daran, dass der Übergang zwischen beiden Arealen möglich werden sollte. Darüber hinaus bereinigte Holtz einige ungelenke Wegeführungen und setzte stattdessen  großzügig geschwungene Linien ein. Inwieweit sein Entwurf umgesetzt wurde, ist bis heute ungeklärt.

1914-2009: Altonaer Gartenbauausstellung und der Umbau zum „Rosengarten“

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Das Ausstellungsgelände auf dem Gebiet des Altonaer Stadtparks 1914 (aus: Zur Erinnerung an die Eröffnung der Gartenbauausstellung, Altona 1914)

Der Altonaer Stadtpark wurde 1914 in die Altonaer Gartenbauausstellung einbezogen. Während der westliche Teil mit seinen Höhenwegen und Aussichtsplätzen nahezu unverändert beibehalten wurde, wurde die südliche Wiese zu einem Vergnügungspark mit Gebäuden und einer großen Platzfläche. Gartenkünstlerischer Höhepunkt der Anlage war der große Rosengarten auf dem nördlichen Plateau, der über zwei geometrisch organisierte Rosenbeete den Blick auf die Elbe gestattete. Da ein Villenbesitzer von der gegenüberliegenden Straßenseite einen Preis von 10.000 Mark ausgesetzt hatte, wenn ihm der Elbblick erhalten bliebe, wurde dies Arrangement allgemein als „10.000 Marksblick“ bekannt.

Ein weiterer gestalterischer Höhepunkt war die so genannte „Schlucht“ im Stadtpark (im Unterschied zum Restaurant „Die Schlucht“ bzw. „Elbschlucht“), ein Fußpunkt zweier Hügel, auf dem sich verschiedene Hauptwege kreuzten und auf einen kleinen Platz mündeten, der von Gustav Deutschmann (ehem. Gärtner des zool. Gartens Hamburg) [10] als spiegelsymmetrische Anlage um ein Rundbeet und zwei den Eingang flankierenden Skulpturen gestaltet war.

Nach Ende der Ausstellung wurden die temporären Gebäude abgebrochen und die Gestaltung vereinfacht. Der ehemalige Vergnügungspark wurde nun teilweise mit Gehölzen bepflanzt, teilweise wurden geometrische Platz- bzw. Rasenflächen offen gehalten. Ein neuer Hauptweg durchlief nun die Fläche des ehemaligen Vergnügungsparks in Ost-West-Richtung. Die Rosenbeete wurden in ihrer Geometrie jedoch unverändert beibehalten

Erst um 1938 wurde die Umgebung der Lawaetzschen Villa, die inzwischen als Volksschule für Mädchen genutzt worden war, in den Stadtpark einbezogen. Im 2. Weltkrieg erhielten sowohl die Villa als auch der Park selbst eine Reihe von Bombentreffern. Die Ruine wurde zwischen 1949 und 1952 abgebrochen. Die derzeitige Anlage des südlich davor errichteten Aussichtsplatzes datiert ebenfalls aus dieser Zeit. In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts sind kaum Veränderungen der Parkkonzeption vorgenommen worden.

Die wesentlichste Ergänzung wurde 2005 auf dem nördlichen Plateau mit der Anlage eines längsrechteckigen Heckengartens von etwa 300 m² nach dem Vorbild des „Liebermanngartens“ in Berlin vorgenommen. Begründet wurde die Maßnahme mit der gestalterischen Qualität der Anlage und der persönlichen Beziehung des Malers Max Liebermann (1847-1935) zu Altona. Liebermann hatte den Garten zusammen mit dem Direktor der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Berliner Wannsee angelegt. [11]

Heute präsentiert sich der Rosengarten als heterogener Grünraum, in dem sich noch immer qualitativ hochwertige historische Anlagenteile wie mit Ziergittern eingefasste Aussichtspunkte, Natursteintreppen und ein imposanter alter Baumbestand erhalten haben. Und trotz der in den letzten Jahren baulichen Entwicklung des Elbkais sind noch immer einige pittoreske Aussichten vom oberen Plateau auf die Elbe möglich.


[1] Paul Th.Hoffmann, Die Elbchaussee: Ihre Landsitze, Menschen und Schicksale, Hamburg 1937, S. 62f.

[2] Ebd., S. 73.

[3] Ebd., S. 72ff

[4] Gartenalmanach 1796, zitiert nach: Förderkreis Ottensen, Ottensen Chronik, Hamburg 1994, S. 37.

[5] Hoffmann, Elbchaussee, S. 75ff.

[6] Staatsarchiv Hamburg, Nachlass Tutenberg (Ferdinand), Inv.-Nr. 424-88/55.

[7] Hoffmann, Elbchaussee, S. 78f.

[8] Bericht über die Gemeindeverwaltung der Stadt Altona 1863-1900, 3. Teil, S. 583, nach Hoffmann, Elbchaussee, S. 79, 310.

[9] Förderkreis Ottensen, Chronik, S. 90, 233.

[10] Die Gartenkunst, 1905, heft 7, S. 70

[11] „Liebermann-Garten bleibt in Hamburg, Hamburger Abendblatt vom 14.Juli 2005 [/www. abendblatt.de/hamburg/article339855/Liebermann-Garten-bleibt-in-Hamburg.html