City Nord

Modellierte Rasenflächen und dichte Platanenreihen: Die Zentrale Zone der City Nord(Foto: Schnitter, 2006)
Modellierte Rasenflächen und dichte Platanenreihen: Die Zentrale Zone der City Nord (Foto: Schnitter, 2006)

1.1   Die Grundkonzeption der „Geschäftsstadt Nord“ durch das Hamburger Bauamt

Das Konzept der sogenannten „Geschäftsstadt Hamburg Nord“ 1958 entwickelten Baurat Dr. Christian Fahrenholtz und Gerhard Dreier auf Anordnung von Oberbaudirektor Werner Hebebrand (1899-1966). Auf etwa 120 ha sollten die bis dahin in der Innenstadt angesiedelten Großverwaltungen ein neues Areal in der Stadtperipherie zugewiesen bekommen, um den Stadtkernbereich zu entlasten. Als Standort sollte die Fläche einer Kleingartenanlage in Winterhude direkt nördlich des Hamburger Stadtparks dienen. Die Gestaltung der einzelnen Gebäude sollte im Ermessen der verschiedenen Unternehmen liegen, [1] die Auslobung von Architekturwettbewerben wurde in den Kaufverträgen jedoch verpflichtend gemacht. Der damalige Trend zum Großraumbüro begünstigte eine horizontale Orientierung der Baukörper.[2]

Als „Bürostadt im Grünen“ wurde das Projekt im August 1959 beschlossen und im selben Jahr auf dem 11. Kongress des Congrès Internationaux d’Architecture Moderne in Otterloo/ Niederlande der internationalen Fachwelt präsentiert.

Schließlich wurde das Projekt „nach zahlreichen Änderungen, Ergänzungen und Beratungen“ in Senat und Bürgerschaft sowie in der Bezirksversammlung Hamburg-Nord im Durchführungsplan D100 verankert. Dieser Plan trat 1961 in Kraft. [3] In den nächsten Jahren setzte sich für das Gebiet allmählich die Bezeichnung „City Nord“ durch.[4]

1.2   Die Entwurfsphasen der 1960er Jahre unter Günther Schulze

Das Projekt wurde in drei Bauabschnitten umgesetzt: Mitte 1964 begannen die Bauarbeiten an den ersten Bürogebäuden. [5] Das Vorhaben setzte vor allem die Grünplanung vor neue Herausforderungen. So stellte Farenholtz 1964 fest.

„Zu dem ganzen Vorhaben ist zu sagen, dass eine derartige, städtebauliche Situation wie in der Geschäftsstadt Nord bisher nicht existiert. Außer der Zweckbestimmung treten hier auch völlig neue Maßstäbe auf. Da das Prinzip vertreten wird, dass jeder auf seinem Gelände tun kann, was er will, soweit es nicht gegen allgemeine Baugesetze und –Verordnungen verstößt, ist für die Gestaltung der Außenanlagen das Problem der straffen Form aufgeworfen“. [6]

Die Baubehörde beauftragte den freien Gartenarchitekten Günther Schulze (1927-1994), [7] den freien Gartenarchitekten Claus Peter Käding sowie die Gartenbauabteilung Hamburg-Nord mit jeweils voneinander unabhängigen Gutachten zu künftigen Grunflächenentwicklung. [8]

Unter Vorsitz von Oberbaudirektor Prof. Sill ließ sich die Gutachterkommission 1965 die Arbeiten vorstellen.[9] Gartenbaudirektor Rausch merkte einige Wochen später „das sehr erfreuliche Ergebnis der drei Gutachterarbeiten“ an: Das ungewöhnlich Projekt stellte den Gartenarchitekten vor sehr schwierige Probleme, besonders hinsichtlich der Maßstäbe und einer ganzen Reihe wichtiger Details:

„Es gab hier keine Möglichkeit, sich viel nach Musterbeispielen umzusehen“. [10]

Nach der ersten Beratung legte die Gutachterkommission am 26. April 1965 Schulzes Entwurf einer Neuplanung zugrunde. [11] „Platanen oder Ahorn“ sollten die „Leitpflanzen“ werden, keine Koniferen und im Allgemeinen auch keine Sträucher gepflanzt werden. Auf Einfriedungen oder Zäune sollte verzichtet werden, nur in Ausnahmefällen seien maximal 60 cm hohe Betonmauern gestattet, keinesfalls aber Jägerzäune: Hier sollte modernste Gartenarchitektur ohne störende Elemente konsequent umgesetzt werden. Die privaten Bauherren sollten daher auch dafür Sorge tragen, dass sich die mit der Gestaltung ihrer Außenflächen betrauten Gartenarchitekten zwecks Abstimmung zum Gesamtentwurf mit Schulze in Verbindung setzten. [12] Nach dem erhaltenen Planbestand übertrugen mehrere Privatfirmen Schulze die Planung ihrer Freiflächen.[13]

Ein Übersichtsplan von Günther Schulze vom Februar 1965 zeigt innerhalb einer mittig platzierten Grünzone eine große Wasserfläche, in verschiedene Abschnitte unterteilt. Markant waren auch große orthogonale Baumraster, teilweise in engem Stand, teilweise alleeartig oder als einfache, oft parallel gegeneinander verschobene Reihen in weitem Stand. Auch Schulzes Erläuterungsbericht vom 14. April 1966 betonte die „neue städtebauliche Situation“ der Geschäftsstadt, deren wesentlicher Grünzug sich von Norden nach Süden erstrecke und dem Ladenzentrum zugeordnet sei. Er erklärte dazu:

„Aus diversen Gründen wurde nicht versucht, hier eine Parklandschaft wie im Stadtpark zu erstellen, sondern der Architektur entsprechend sollen die Freiflächen einen repräsentativen Charakter erhalten. Sie sollen ein gleichwertiges Element der Architektur bilden, da sie sonst nur dekorativen Wert hätten. […] Baumpflanzungen in Reihen und Blöcken, eine großzügige und zielstrebige Wegeführung, Wasserflächen in streng gefassten Spiegelbecken, Pflaster in verschiedenen Farben und große zusammenhängende Rasen- oder Wiesenflächen sind die Gestaltungsmittel die der städtebaulichen Situation gerecht werden. Auf Strauchflächen und Einzäunungen soll bis auf bestimmte Fälle weitgehend verzichtet werden“. [14]

1.3   Das überarbeitete Gesamtkonzept der 1970er Jahre

Mehrere Faktoren führten in den 1970er Jahren zu einem Wegfall der geplanten Wasserbecken: Dass die gewählte Gestaltung die einzig sinnvolle Möglichkeit wäre, die öffentlichen und privaten Freiflächen in der Geschäftsstadt in Einklang zu bringen, wurde von einigen Abgeordneten des Bauausschusses bezweifelt. Mit Blick auf die fehlenden Mittel zur Herstellung von Grünflächen in der Nähe von Wohnsiedlungen kritisierten sie „die relativ hohen Kosten wegen der vielen vorgesehenen Kunstbauten“.[15]

Außerdem geriet die Hochbauplanung der Architekten Graf und Spengelin[16] mit der Grünplanung in Konflikt. Das geplante Wasserbecken in Nord-Süd-Richtung geriet durch eine vergrößerte Bebauung in eine Randlage und legte zudem die Fassade der Bebauung frei. [17] In verschiedenen Varianten sollte Schulze daher klären, wie das Wasserbecken von der erweiterten Bebauung abrücken könne.

Angesichts der Erwartung einer fast 100%igen Kostensteigerung der Wasserbecken [18] beschloss der Senat im Sparprogramm 1974, auf ihren Bau zu verzichten. [19] Dennoch sollte „das Konzept der Freiflächengestaltung in der Geschäftsstadt Nord nicht geändert werden“, [20] und „trotz aller Sparmaßnahmen […] die besondere Funktion der Zentralen Grünzone in der City-Nord beibehalten werden“. Der Ausgleich für den Wegfall der Wasserbecken sollte „im wesentlichen in einer weiteren Aktivierung der Grünflächen“ liegen, etwa durch Möglichkeiten für die Kurzzeiterholung in den Pausen und Einrichtungen für Betriebssportgruppen. [21]

Den Neuentwurf legte Schulze Anfang Januar 1975 vor. Baulich reagierte er mit dem Vorschlag, anstelle der Wasserbecken geometrische Bodenwellen zu bauen. Der reduzierte Entwurf wies statt der ursprünglich geplanten Baukosten von 4,6 nun noch 2,9 Millionen DM aus. Zur Gestaltung führte Schulze aus:

„Der Gesamteindruck von großzügigen zusammenhängenden Rasenflächen sollte erreicht werden
Gliederung der weitläufigen Flächen durch Baumblöcke – Reihen und Alleen gemäß der Gesamtkonzeption
Unterstützung der Raumgliederung durch positive und negative Bodenformen.
[22]

Trotz Bedenken einiger Parlamentarier, dass „vom ursprünglich vorgelegten Entwurf aus dem Jahre 1965 heute […] nicht mehr viel übrig geblieben sei“, sprach sich der Kerngebietsausschuss des Bezirksamtes Hamburg-Nord 1975 einstimmig für den neuen Entwurf aus.

Am 06. Oktober 1977 ging die Mitteilung der Fertigstellung der Zentralen Grünzone an die Presse. Die von Schulze konzipierte großzügige und repräsentative Anlage habe rund 2,5 Millionen DM gekostet. Die grüne Achse diene als Durchgangszone, aber auch als Pausen- und Kommunikationsbereich für die Mitarbeiter der benachbarten Unternehmen. Das Bezirksamt riet zu einem „Kontrastbummel“ vom U-Bahnhof Sengelmannstraße durch die City Nord und den Stadtpark. [23]

1.4          Künstlerische Bedeutung

In ihrer Lage im Stadtraum und ihre frühe gestalterische Konzeption unter Werner Hebebrand stellt die City Nord eine Weiterentwicklung historischer Freiraumkonzepte wie der des Volksparks, der Gartenstadt und der autogerechten Stadt zur „Bürostadt im Grünen“ dar. Günther Schulze gelang es in den Freiräumen, eine über Jahrzehnte verfolgte Planungsidee von der Entwurfsphase bis zur Fertigstellung weiter zu entwickeln, und dies nicht nur auf öffentlichen, sondern auch auf vielen privaten Flächen, einschließlich zahlreicher Dachgärten.

Die künstlerische Leistung Schulzes bestand in einer schlüssigen Weiterentwicklung des Hebebrandschen Konzepts in einer sich gestalterisch klar von der genannten Tradition distanzierenden Formensprache, die angesichts der Heterogenität der umgebenden Bebauung die Formulierung einer zentralen Zone erforderte, die dieser Monumentalität Zusammenhalt, grünes Volumen und grüne Fläche entgegenzusetzen hatte. Schulzes Gestaltung ist umso mehr zu würdigen, als er sich damit auch vom eigenen Stil trennte: Vom 120-Grad-Winkel, der die Anlagen in „Planten un Blomen“ der IGA 1963 ausgezeichnet hatte, welche ihm zum Durchbruch als freier Landschaftsarchitekt verholfen hatten.[24] Konsequent hielt er an der hier gefundenen Formensprache fest, auch angesichts der Abkehr vom zunächst zentralen Element der Wasserachse, welche einen tiefen Einschnitt in die Konzeption bedeutet hatte. Er griff in der kräftigen Bodenmodellierung aber auch aktuelle Tendenzen der Freiraumplanung auf.

Insbesondere die fast vollständige Funktionstrennung zwischen motorisiertem und fußläufigem Verkehr, die sich in Kreuzungspunkten in einer konsequenten Verlagerung des Fußgängerverkehrs auf Brücken ausdrückte und ihr Pendant in der Ebene 1 der Geschäftszone fand, dürfte in dieser Flächengröße auch Deutschlandweit singulär sein.

1.5          Historische Bedeutung

Aufgrund ihrer Ausdehnung konnte die Geschäftsstadt Nord auch als Bedeutungsträger des Wertesystems interpretiert werden: „Nicht Kirchen wie im Mittelalter, sondern Hochhäuser der Verwaltungskonzerne manifestieren den Inhalt der Zeit, indem sie die Silhouette unserer großen Städte weithin akzentuieren“, konstatierte Erich Kühn mit Blick auf Hebebrand. [25]

Der historische Wert der City Nord besteht zunächst in den architektur- und gartenhistorischen Neuerungen bzgl. der Formensprache. Zum anderen manifestiert sich hier ideengeschichtlich das Ideal einer „Bürostadt im Grünen“, der „organischen“ Verschränkung von Anforderungen der Betriebsorganisation sowie der persönlichen Regeneration in einer modernen Massengesellschaft. Angesichts der riesigen Verwaltungsapparate, denen die ansässigen Firmen damals repräsentative Räumlichkeiten errichteten, kann die City Nord auch als Denkmal für eine Zeit des Vertrauens in die Vollbeschäftigung gelten.

Historisch bedeutsam ist aber auch der Umstand, dass in Zusammenhang mit der ökologischen Bewegung seit Ende der 1970er Jahre die City Nord in ihrer Architektur aus Ansammlungen von Großraumbüros und großzügigen Verkehrswegen ganz dem Negativimage von Anonymität und Naturferne entsprach. Vor diesem Hintergrund trat die gestalterische Qualität der Architektur in den Hintergrund, während die Qualitäten der zentralen Zone den meisten Hamburgern unbekannt blieben.


[1] Richter, Nadine, Geschichte und Entwicklung der City Nord in Hamburg. Technische Universität Wien, Institut für Landschaftsplanung und Gartenkunst, o.J., S.2.

[2] Kulturbehörde Hamburg, Denkmalschutzamt [Hg.], City Nord: Architektur und Stadtbaukunst der Moderne, [Denkmalpflege Hamburg, 19], Christians Verlag, Hamburg 2001, S. 6.

[3] Töpfer, Werner, Grüngestaltung in der Geschäftsstadt Nord, in: Der Winterhuder Bürger. Mitteilungsblatt des Winterhuder Bürgervereins von 1872 r.V., Nr. 4, Hamburg 1967, o.S.

[4] Kulturbehörde Hamburg, City Nord, S. 6.

[5] Dreier, Gerhard, Die Planung für Hamburgs Geschäftsstadt Nord, in: Institut für Raumordnung Bad Godesberg und Akadamie für Raumforschung und Landesplanung Hannover (Hg.), Sonderdruck aus Raumforschung und Raumordnung, 25. Jahrgang, 6, o. Ort 1967, S. 249-257, hier S. 256.

[6] Jantzen, T. A., Niederschrift über die Besprechung für das Gutachten „Außenanlagen im Geschäftsgebiet Nord“ vom 26.8.1964,  Hamburg, 1.9.1964, S. 2 [Archiv Bauamt Hamburg-Nord, Geschäftsstadt Nord, 3, Gesamt, 2. Planung].

[7] Richter, Geschichte und Entwicklung der City Nord in Hamburg, S.3.
Kulturbehörde Hamburg, City Nord, S. 7.

[8] Jantzen, Niederschrift, S. 2

[9] Ebd.

[10] Gartenbaudirektor Rausch, Brief vom 13. Mai 1965 an Töpfer, [Archiv Bauamt Hamburg-Nord, Geschäftsstadt Nord, 3, Gesamt, 2. Planung].

[11] Töpfer, Grüngestaltung in der Geschäftsstadt Nord, o.S.

[12] Jantzen, T. A., Protokoll über die Sitzung am 25.4.1965 im Verwaltungsgebäude des Garten- und Friedhofsamtes zur Beurteilung und Auswertung der Gutachtenarbeiten für die Außenanlagen im Geschäftsgebiet Nord, Hamburg, 27. April 1965, S. 3 [Archiv Bauamt Hamburg-Nord, Geschäftsstadt Nord, 3, Gesamt, 2. Planung].

[13] Vgl. Bestand Schulze im Hamburgischen Architekturarchiv

[14] Schulze, Erläuterungsbericht Außenanlagen Geschäftsstadt Nord vom 14. April 1966 [Archiv Bauamt Hamburg-Nord, Geschäftsstadt Nord, 3, Gesamt, 2. Planung].

[15] Bürgerschaft der FHH, Bericht des Bauausschusses über die Drucksache VII/139: Dringlicher Antrag! Schaffung von Grünanlagen in der Geschäftsstadt Nord, 23.09. 1970 [Archiv Bauamt Hamburg-Nord, Geschäftsstadt Nord, City Nord, BA3-1].

[16] Dreier, Vermerk zur Koordinierung Grünplanung, Besprechung am 26.06. 1970, vom 29. Juni 1970 [Archiv Bauamt Hamburg-Nord, Geschäftsstadt Nord, 3, Gesamt, 2. Planung].

[17] Fank, Vermerk zum Entwurf für den 2. Abschnitt der Zentralen Zone vom 25. Juni 1970 [Archiv Bauamt Hamburg-Nord, Geschäftsstadt Nord, 3, Gesamt, 2. Planung].

[18] Bezirksamt Hamburg-Nord, Bauamt-Tiefbauabteilung, Vermerk vom 13. Feb. 1973 [Archiv Bauamt Hamburg-Nord, Geschäftsstadt Nord, City Nord, BA3-1].

[19] Eggers, Vermerk betr. Zentrale Zone Geschäftsstadt Nord vom 11. April 1975 [Archiv Bauamt Hamburg-Nord, Geschäftsstadt Nord, City Nord, BA3-1].

[20] Bürgerschaft der FHH, 7. Wahlperiode, Drucksache VII/327 [Archiv Bauamt Hamburg-Nord, Geschäftsstadt Nord, City Nord, BA3-1].

[21] Ascher, Schreiben an die Finanzbehörde vom 11. März 1976 [Archiv Bauamt Hamburg Nord, Geschäftsstadt Nord, Öff. Grün BA/3, 2-3].

[22] Schulze, Günther/ Joachim Hass/ Udo Kummer, Zentrale Grünzone der Geschäftsstadt Nord, Hamburg, 5.5. 1975 [Archiv Bauamt Hamburg Nord, Geschäftsstadt Nord, Öff. Grün BA/3, 2-3].

[23] Kohnert, Pressemitteilung vom 06.10. 1977 [Archiv Bauamt Hamburg-Nord, Geschäftsstadt Nord, City Nord, BA3-1].

[24] Schulze bezeichnete die IGA 63 als „seinen Durchbruch“ [mündliches Gespräch des Verfassers mit Günther Schulze im Herbst 1993].

[25] Kühn, Erich, Bauherren der Stadt, in: Hommage a Werner Hebebrand, Hg. Ulrich Conrads, Lothar Puckel, Paulhans Peters et al, ohne Ort und Jahr [1965], S. 5-8, hier S. 6,7.